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Früchte des Zorns bei Nacht und Nebel

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Hanns Eisler und seine „Mutterstadt“ Leipzig
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Hanns Eisler wurde am 6. Juli 1898 in Leipzig geboren. Sein Geburtshaus befindet sich allerdings in einem bedenklichen Zustand. Schon lange ist die Gedenktafel, die hier einst hing, verschwunden. Seit 2012 mehren sich in Leipzig jedoch die Initiativen, das Haus in der Hofmeisterstraße 14 zu renovieren und möglicherweise für eine Gedenk- und Begegnungsstätte zu nutzen. Auch in die musikalische Stadtrundfahrt „Notenrad“ soll das Gebäude einbezogen werden. Dass vor Ort heute wieder ein verstärktes Interesse an diesem Komponisten besteht, zeigte sich Ende März bei den EislerTagen, die die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Museum für Musikinstrumente, dem Mendelssohn-Haus, dem Verlag Breitkopf & Härtel und dem Stadtarchiv mit Förderung des Kulturamts Leipzig durchführte. Alle Veranstaltungen waren gut besucht, oft sogar ausverkauft.

Vorbildlich wird in Leipzig an Felix Mendelssohn Bartholdy erinnert. Im November 1997, zum 150. Todestag des Musikers, wurde in seinem ehemaligen Wohnhaus in der Goldschmidtstraße ein Museum eröffnet, das seitdem noch erweitert wurde. Nicht zuletzt der Initiative von Kurt Masur waren die Sanierung des Hauses und die Öffnung als Museum zu verdanken. In den renovierten Räumen fand nun ein Eisler-Liederabend statt. Dem „wichtigsten Liedkomponisten des 19. Jahrhunderts“ stand damit, so Museumsdirektor Jürgen Ernst, der „wichtigste Liedkomponist des 20. Jahrhunderts“ gegenüber. Der Bariton Holger Falk, von Steffen Schleiermacher impulsiv am Klavier begleitet, erwies sich dabei als ein prägnanter und überzeugender Eisler-Interpret.

Die Familie seiner aus Leipzig stammenden Mutter hat Eisler auch im Libretto seiner unvollendeten „Faustus“-Oper erwähnt, wie Peter Deeg ausführte. Direkt gegenüber dem Geburtshaus stand die große Albert-Halle, in der 1932 Leipziger Arbeitersänger Brecht-Eislers Lehrstück „Die Maßnahme“ aufführten. Als der Komponist in Leipzig zur Welt kam, hatten sich seine Eltern allerdings schon für Wien, die Heimatstadt des Vaters,  entschieden. Wichtig wurde für Eisler seine Geburtsstadt dann aber als Verlagsstadt. In Leipziger Musikverlagen erschienen ab 1955 die zehn Notenbände der „Lieder und Kantaten“ und danach die „Gesammelten Werke“, über die jetzt der damalige Cheflektor Frieder Zschoch berichtete. Da 1992 der Deutsche Verlag für Musik von Breitkopf & Härtel übernommen wurde, kam auch die neue „Hanns Eisler Gesamtausgabe“ (HEGA) zu Breitkopf.

Als geradezu spannend erwiesen sich die Präsentationen neuer Filmmusik-Bände der Eisler-Gesamtausgabe. Johannes Gall führte Eislers alternative Musik zum John-Ford-Film „Grapes of Wrath“ vor, die in einer Grabszene die Klage „Wir armen Leut!“ aus Bergs „Wozzeck“ hintergründig mit der Melodie des Komintern-Lieds verbindet. Knud Breyer demonstrierte Leitmotiv-Techniken in Eislers Kompositionen zu dem Auschwitz-Dokumentarfilm „Nacht und Nebel“ des kürzlich verstorbenen Alain Resnais. Maren Köster und Jürgen Schebera stellten den jüngst erschienenen Briefband mit Korrespondenz der Jahre 1944 bis 1951 vor, als der Komponist aus dem amerikanischen Exil nach Europa zurückkehrte. Der angekündigte „Kleine Spaziergang durch die Verlagsgeschichte von Breitkopf & Härtel“ entfiel allerdings kurzfristig. Bislang waren die für die HEGA verantwortlichen Lektoren in Leipzig angesiedelt.  Wie jetzt aber zu erfahren war, schließt Breitkopf zum Jahresende 2014 seine Leipziger Niederlassung. Während die Edition Peters von Frankfurt nach Leipzig zurückkehrte, will sich der 1719 in Leipzig begründete Verlag Breitkopf & Härtel – der älteste Musikverlag der Welt – auf den 1945 bezogenen Standort Wiesbaden konzentrieren.

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