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Foto: Sébastien Brohier.
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Fülle von Emotionen: Jay Schwartz‘ „Narcissus & Echo“ mit der Freiburger Opera Factory

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Eine Oper für Sologesang, Viola, Schlagzeug und E-Orgel. Das klingt eher nach Studentenworkshop als nach großer Bühne. „Kammeroper heißt nicht Öperchen“, hat Wolfgang Rihm einmal gesagt. Für Klaus Simon und seine Freiburger Opera Factory ist das Statement des Karlsruher Komponisten ein Leitspruch. Nun hat der umtriebige Dirigent mit Jay Schwartz‘ „Narcissus & Echo“ (2003/2009) ein nicht nur wegen der Kleinstbesetzung coronataugliches Werk entdeckt, das im Freiburger E-Werk eine berührende Premiere feierte.

Der US-amerikanische, in Deutschland lebende Komponist (Jahrgang 1965) schafft aus einem begrenzten musikalischen Material eine Fülle von Emotionen: Sehnsucht nach Nähe, flüchtige, selige Momente des Einklangs, Verzweiflung, Wut und auch tiefe Einsamkeit bis hin zur Depression. Themen, die gerade in Coronazeiten besonders nahe gehen. Die der Oper zugrunde liegende Geschichte aus den „Metamorphosen“ von Ovid ist schnell erzählt. Die Nymphe Echo, die wegen eines Fluchs nur noch die Worte ihres Gegenübers wiederholen kann, verliebt sich in Narcissus, der sie aber nach anfänglichem Werben zurückweist. Der schöne Jüngling liebt viel mehr sein Spiegelbild. Als ihm die Täuschung klar wird, nimmt er sich das Leben.

Für die Gesangspartie, der einzelne lateinische, häufig extrem gedehnte Sätze zugrunde liegen, hat Jay Schwartz eigentlich einen Countertenor vorgesehen. In Freiburg singt Hélène Fauchère mit ihrem kristallinen, wie an der Schnur gezogenen Sopran die mal ganz schlichten, dann weit ausholenden Linien des Narcissus, dem Aida-Carmen Soanea an der Viola als Echo gegenübergestellt ist. Die musikalische Annäherung der beiden unterstützt Regisseur Heiko Hentschel auch szenisch, indem die am Anfang ganz hinten im Zuschauerraum postierte Bratschistin allmählich näherkommt. Schon die vom Komponisten zitierte Opernarie von Antonio Cesti vereint Gesang und Viola im gemeinsamen Spiel – den absteigenden Passacaglia-Bass spielt Dirigent Klaus Simon an der Orgel. Auch körperlich kommen sich die beiden näher, umkreisen sich und lehnen sich kniend für einen Moment aneinander, ehe sich Narcissus zurückzieht und Aida-Carmen Soanea mit wilden Arpeggien Echos Verzweiflung zum Klingen bringt.

Lee Ferguson und Seorim Lee schaffen am Schlagzeug nicht nur Verbindungen zwischen den Szenen durch sanfte Wirbel oder auch den regelmäßigen Puls eines Woodblocks, sondern sind wichtige Impulsgeber und wie im gewaltigen 5/4-Marsch am Ende des ersten Akts auch Gefühlsverstärker. Regisseur Heiko Hentschel bezieht sie in seiner klaren, die Spannungsverhältnisse der Partitur unterstützenden Inszenierung auch immer wieder szenisch mit ein. Die ruhigen Schwarz-Weiß-Videos (Heiko Hentschel und Sébastian Brohier) von vorbeiziehenden Landschaften und einer glitzernden Wasseroberfläche ersetzen das fehlende Bühnenbild. Nur der von Hentschel geschriebene, aus dem Off klingende Prolog/Epilog erscheint als Fremdkörper an diesem ganz von der Musik getragenen Abend.

Der analog gebaute zweite Akt beginnt mit sphärischen Klängen von gestrichenen Gläsern. Hélène Fauchères Sopran härtet sich in den dramatischen Ausbrüchen. Aida-Carmen Soanea spürt an der Viola Narcissus‘ Spiegelbild nach und schafft mit den häufigen Glissandi Übergänge. Am Ende bewegt sich die auch darstellerisch präsente Bratschistin mit ruhigen Schritten zum Klavier, um, sensibel begleitet von Klaus Simon, Benjamin Brittens „Lachrymae. Reflections on a Song of Dowland“ zu interpretieren. Erst am Ende des Variationswerks erklingt der Song von John Dowland, mit dem der Abend auch begann. „If my complaints could passions move“ – könnten doch meine Klagen Dein Verlangen werden. Ein zartes Lamento über das Leiden an der Liebe. Schlicht – und ergreifend!


  • Weitere Vorstellungen: 23.10., 20 Uhr; 24.10., 20 Uhr; 25.10., 19 Uhr im E-Werk Freiburg.  

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