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lautten compagney BERLIN. Foto: Roland H. Dippel

lautten compagney BERLIN. Foto: Roland H. Dippel

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Gegen den Krieg! Die lautten compagney Berlin mit einem Konzert über den Westfälischen Frieden 1648

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Das sich selbst gewidmete Festival zeitsprünge mit insgesamt sechs Konzerten bis 13. Oktober führt die lautten compagney Berlin aus Vorsatz nicht in die großen Säle der Bundeshauptstadt, sondern an die von ihr immer wieder mit pulsierendem Klangleben gefüllten Locations, vor allem die St.-Elisabeth-Kirche. Das von Wolfgang Katschner und Hans-Werner Apel 1984 gegründete Ensemble feiert ohne viel Aufhebens sein 40-jähriges Bestehen. Beginn war mit dem ‚Gesprächskonzert‘ „Lasst die Spieße Spaten werden!“ im Roten Rathaus. 

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Ein Tisch ist das bevorzugte Dekorationselement der lautten compagney Berlin in Musiktheater und im Konzert. So dereinst bei ihrer szenischen Präsentation von Johann Sebastian Bachs opernhaften Jagd- und Schäfer-Kantaten für den Weißenfelser Hof beim Leipziger Bachfest 2018 und heute bei ihren Feiern zum 40-jährigen Bestehen. Das 1984 gegründete und aus einem Lautenduo herangewachsene Ensemble mit sieben Musiker:innen und dem Leiter Wolfgang Katschner hat einen ganz eigenen dunklen und dabei samtigen Klang. Immer häufiger verband sich der Name des Ensembles mit individuellen Musiktheater-Projekten, zum Beispiel einer Johannespassion mit dem Countertenor Reginald Mobley als Jesus oder dem mit Texten John von Düffels für die Neuköllner Oper entstandenen Kantatical „Der Teufel im Lift“. 

Mit ihrem von der Renaissance bis zur Mozartzeit reichenden Repertoirezentrum, in dem es immer wieder Schwenks zu zeitgenössischen Crossover-Projekten gibt, ist die lautten compagney BERLIN alt genug, dass sie mit hoher Selbständigkeit und Individualität agiert. Aber sie hat auch ohne Jugendwahn jene gefährlichen Jahre übersprungen, in denen so manche Formation detailsüchtige Spitzfindigkeiten als akustisches Äquivalent für Puder und Schönheitspflästerchen entwickelten. 

Am Beginn stand ein Auftritt im nur selten als Konzertort nutzbaren Festsaal des Roten Rathauses mit dem Titel „Lasst die Spieße Spaten werden“. Auch hier also eher Ungewöhnliches mit kleinen Evergreen-Tributen für die zahlreichen Fans, aber kein Streifzug mit größeren Paradestücken. Christian Filips hat die kleinzelligen Stücke, darunter weder auftrumpfende Da-Capo-Arien noch instrumentale Glanznummern, zur Anthologie über den dreißigjährigen Krieg und den Westfälischen Frieden 1648 verbunden. Da sitzt die lautten compagney Berlin um einen ovalen Tisch, Platz nehmen auch die Sopranistin Anna Moritz und der Bariton Florian Götz. Alle sprechen in hurtiger Wechselrede die ihnen von Filips ausgewählten Zitate, aphoristischen Epochenblitze und Kommentare, in welche immer wieder Gedankenbögen aus der Gegenwart 2024 hineinblitzen. 

Die lautten compagney zeigt mit ihrem Anspruch auf die Verbindung des Burlesken mit dem Philosophischen, des Historischen mit dem Poetischen auch hier ein sie auszeichnendes Quäntchen dramaturgischer Überpräzision. Das Zeitalter wird mit Originalzitaten, schlichten Weisen, kunstvollen Ausführungen und Arrangements bis zu der „dunklen Wolk’“ von Hanns Eisler besichtigt. Man spielt Monteverdi und Gesualdo gegen Andreas Weidmann aus. Am Ende steht Heinrich Schütz’ „Verleih uns Frieden gnädiglich“. 

Mit jedem Atemzug macht die lautten compagney klar, dass es ihr um mehr als Unterhaltung geht. Die Kategorie der Virtuosität ergibt sich – wenn überhaupt – aus den musikalischen Spielstoffen, weniger aus musikantischem Demonstrationsbegehren. Zu den Stimmen von Moritz und Götz entwickelt das Oktett mit sensitivem Touch auch an diesem Abend angenehme Reibungswärme. Man hört bei aller Klarheit das Alter dieser Musik, eingebettet in Interpretierenden-Klugheit. 

Der einzige Knirschfaktor dieser 90 Minuten ist visuell. Die Sanftrosa-, Rotbraun- und Orangetöne der Auftrittskleidung des Ensembles reiben sich mit dem flächigen Erdbeer-Ton der Wände. Das musikalische Programm tritt dafür in packenden Kontrast zum dort seit 2005 hängenden Historiengemälde „Der Berliner Kongress von 1878“ von Hofmaler Anton von Werner. Die lautten compagney fischte und flickte aus dem reichen Musikmaterial des 17. Jahrhunderts nämlich Stücke zusammensammen, welche Friedenssehnsucht, Überlebenswille und Daseinslust zum Fleckenteppich statt eines Zeitpanoramas mit Anspruch auf Vollständigkeit machten. Vollständigkeit war nicht erwünscht, damit sich dieses Mosaik zu anderen Gelegenheiten erweitern lässt – wenn zwischen Musiktheater-Projekten und Festivalauftritten dafür Zeit besteht. Eine solche Liebe zum Kleinzelligen beweist auch die jüngste lautten-compagney-CD-Neuerscheinung „The Lute Songbook“.

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