Es irrt, wer Mecklenburg-Vorpommern für lediglich touristisch attraktiv hält. Schon lange ist das Land zwischen Müritz, Oder und Ostsee auch ein Mekka für diejenigen, die im Ambiente allerdings wirklich einmalig schöner Landschaft Musik in höchster Qualität und Reichhaltigkeit erleben möchten. Spezifik und Repräsentanz der Angebote lassen dabei kaum an die Probleme territorialer Randlage denken, an dünne Besiedlung und wirtschaftliche Schwäche eines weitläufigen Flächenlandes. Es sind dies allerdings Fakten, die spätestens dann gewichtig werden, wenn es um Neue Musik geht. Natürlich hat auch sie hier eine Basis; die aber ist schmal, wenngleich nicht ohne solide Perspektive. Sie bezieht sich auf recht bescheidene Anteile im Rahmen der allgemeinen Konzert- und Theaterpraxis, hat aber im Hinblick auf nun längerfristige Projekte der Zusammenarbeit von Komponistenverband, Philharmonischen Orchestern, der Hochschule für Musik und Theater Rostock, Spezialensembles für Neue Musik, musikalischen Laienverbänden, Musikschulen und Schulen deutlich an Profil gewonnen. Peter Manfred Wolf, Professor für Komposition und Musiktheorie an der Rostocker Hochschule sowie überaus engagierter Vorsitzender des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern des Deutschen Komponistenverbandes, hat wohl dennoch nicht geringe Risikobereitschaft bewiesen, als er den nächsten Schritt wagte und gemeinsam mit dem Musikverein Mecklenburg-Vorpommern erstmals ein mehrtägiges Festival für Neue Musik organisierte. Unter dem Titel „Brücken“ fand es vom 2. bis 6. November 2004 in Schwerin und Rostock statt und wurde – es sei vorweggenommen – ein voller, ermutigender Erfolg.
Geschuldet war er einem Konzept, das sich in hohem Maße kommunikativ und bei aller Eigenständigkeit der Angebote verbindlich gab, also tatsächlich Brücken baute. Dafür sprachen sowohl zwei Konzerte für Schüler mit – weitgehend – Kompositionen aus Mecklenburg-Vorpommern und ein ganztägiger Workshop „Neue Spieltechniken“ für Studierende der HMT Rostock (mit dem ensemble recherche Freiburg) als auch ein Round Table zur Neuen Musik mit den Komponisten Nicolaus A. Huber (Essen), Peter Manfred Wolf (Rostock) und Birger Petersen (Greifswald, der Musikpädagogin Renate Kafurke (Rostock) und dem Musikwissenschaftler Ekkehard Ochs (Greifswald). Ansonsten bestimmten so anspruchsvoll wie anziehend konzipierte Konzerte das Programm, zumeist als Komplexe: Komponisten aus Mecklenburg-Vorpommern – der Verband hat 22 Mitglieder, von denen immerhin 11 zu Wort kamen –, ein Porträtkonzert des auch sonst vielfach vertretenen „composers in residence“ Nicolaus A. Huber, italienische und französische Moderne sowie „Musik und Bild“. Unmöglich, hier die mehr als 30 Werke von 24 Komponisten einzeln zu erwähnen. Nur so viel: gewährleistet war zwischen etablierter Moderne (Hindemith, Messiaen, Boulez) und noch tintenfrischer Novität die ganze Vielfalt zeitgenössischer Ausdrucksmöglichkeiten – bis hin zur Aktionskunst. Mithin geriet das Ganze zur nahezu flächendeckenden Präsentation kompositorischer Möglichkeiten – und zum Nachweis ihrer ja oft genug in Frage gestellten Ausdrucksqualitäten. Dabei ging es durchaus kontrovers zu: hier etwa Hubers, Wolfs oder Hölszkys durchstrukturiertes Denken, dort die so unorthodoxe wie fesselnde Expressivität der italienischen und französischen Beiträge, wobei die landesverbandseigenen Kompositionen sowohl die „Mitte“ hielten als auch „ganz vorn“ rangierten.