Hauptbild
Benatzky in Paderborn. Foto: Christoph Meinschäfer
Benatzky in Paderborn. Foto: Christoph Meinschäfer
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Gespielte Idylle am Wolfgangsee – Ralph Benatzkys Erfolgsoperette im Theater Paderborn

Publikationsdatum
Body

Vor zwei Jahren öffnete das Theater Paderborn seine Pforten – ein nagelneuer Bau im Herzen der ostwestfälischen Domstadt mit drei Spielstätten, von denen das Große Haus über 400 Plätze bietet. Ein reichhaltiges, farbiges Programm lockt die Paderborner und viele Menschen aus der Region in „ihr“ Theater, das einmal pro Spielzeit auch eine Musiktheater-Produktion anbietet – Oper, Musical oder, wie jetzt, Operette!

Ralph Benatzkys „Im weißen Rössl“ – da wiegt man spontan den Kopf und erinnert sich an den „Blauen Bock“ oder ähnliche Unterhaltungsshows der 1970er Jahre, in denen die Welt noch so schön in Ordnung war und Amusement als oberstes Prinzip herrschte. Und in denen neben dem Titel-Song Schlager wie „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“ oder „Die ganze Welt ist himmelblau“ (beide von Robert Stolz komponiert!) schenkelklopfenden Frohsinn verbreiteten. Das war keine gute Werbung für ein ganzes Genre, das allerdings in den letzten Jahren ein Comeback auf den Bühnenbrettern erlebt. Weil sich sehr wohl aus einer ganzen Reihe von Operetten der 1920er und 1930er-Jahren ein kritischer Impuls ins Jetzt hinüberretten lässt.

Regisseurin Susi Weber hütet sich, das „Rössl“ in bloßem Kitsch zu versenken. Gleich zu Beginn ihrer Inszenierung lässt sie den Hilfskellner des berühmten Wirtshauses am Wolfgangsee einen Bilderrahmen vom Schnürboden herunterfahren, nach dem Motto: was Sie hier sehen, ist pure Postkarten-Idylle, völlig künstlich. Am linken Bühenportal ist überdies ein riesiger Kasten mit Leuchtschaltern montiert – die „Idylle-Station St. Wolfgang“, mittels der sich allerlei Stimmungen und Lebensatmosphären inszenieren lassen. Gerade so, wie es der internationalen Kundschaft beliebt. Die strömt in Scharen herbei und nervt mit ihrem Anspruchsdenken das Personal im „Rössl“. Zahlkellner Leopold und sein Piccolo machen gute Miene zum bösen Spiel – ebenso wie Josefa Vogelhuber, die Chefin. Daraus ließe sich eine durch und durch ironische Lesart des „Weißen Rössls“ entwickeln, und jene bekämen sozusagen „ihr Fett weg“, die sich Benatzkys Erfolgsoperette aus dem Jahr 1930 bloß als Heimatfilm oder Heile Welt-Schmonzette vorstellen.

Doch so weit geht Susi Weber nicht, wenngleich es bis zum Happy End immer wieder mal gegen den Strich gebürstete Momente gibt: dem ewig grantelnden und unzufriedenen Berliner Trikotagenfabrikanten Wilhelm Giesecke trötet sie das „Im Salzkammergut da kann man gut lustig sein“ nicht als Urlaubseinladung sondern als unmissverständliche Drohung in beide Ohren! Das entlockt dem Publikum herzhafte Lacher. Oder der schmucke Kaiser Franz Joseph, der mit einer Sackkarre aus der Abstellkammer in die Szene gefahren wird, um puppenhaft das ewig Gleiche aufzusagen.

Lacher gibt es also weit mehr als nur einmal: Susi Weber paart ihren zarten Anflug von Ironie mit einer gehörigen Portion Komik – eine Mischung, die beim Publikum großartig ankommt. Wie auch die musikalische Gestaltung. Hier spielt kein Orchester, sondern „nur“ eine fünfköpfige Combo. Und wie die spielt! Benatzky reloaded sozusagen. Die Version entstand 1994 für die Berliner „Bar jeder Vernunft“, mit augenzwinkernd eingeschobenen „Extras“, raffinierten rhythmischen Abweichungen vom Original – kurzum: erfrischend.

Auf der Bühne steht das (singende) Schauspielensemble. Und das macht seine Sache sehr, sehr gut, spielt mit Temperament, Witz und der richtig dosierten Portion Komik. Das überzeugt selbst die erfreulich vielen jungen Menschen im Parkett, in der Loge und auf dem Rang.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!