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Wolfgang Amadeus Mozart war immer für Späße zu haben und scheute auch nicht davor zurück, das eigene Geschäft zu parodieren, und zwar alle Beteiligten: die Komponisten, die SängerInnen, die Theaterdirektoren und das Publikum. Eines dieser Gelegenheitsstücke ist der 1786 – im Jahr des Figaro – entstandene „Schauspieldirektor“, in dem es ziemlich aktuell um Geld, um Konkurrenz und um Geschmack geht.
Eine geradezu hinreißende halbszenische Aufführung dieses kleinen Stückes bildete jetzt sinnigerweise den Abschluß des achten Musikfestes Bremen, das sich damit auch mit seinen eigenen Problemen verabschiedet. Kein geringerer als Nikolaus Harnoncourt mit seinem nun schon legendären „Concentus Musicus“ setzte sich für diese Kostbarkeit ein.
Das achte Musikfest ist zu Ende: Es hat Bremen einen Monat lang mit über 30 Konzerten in die schöne Illusion einer kulturellen Hochburg versetzt, es hat aber auch erneut deutlich gemacht, daß der künstlerische Leiter Thomas Albert wenig zur Kenntnis nimmt, was sich in acht Jahren in Bremen verändert hat. Blicken wir zurück: 1989, als das erste Musikfest durchgeführt wurde, lag die gesamte sogenannte Hochkultur brach. Ein heruntergewirtschaftetes bis verwahrlostes Theater, fliegende Wechsel meist uninteressierter Dirigenten bei den Bremer Philharmonikern, dazu kam später der Verlust des Konzertraumes „Glocke“, die über zwei Jahre renoviert wurde. Die sinfonische Hausmannskost, die die Agentur Praeger und Meier anbot, lockte die Menschen kaum. Aus dieser Dümpelei hat sich die Stadt längst kräftigst erholt: Seit Klaus Pierwoß Intendant des Bremer Theaters ist, können Spielplan und Qualität sich sehen und hören lassen. Seit Günter Neuhold als Generalmusikdirektor das Orchester leitet, hat es einen qualitativen Sprung getan, der sich nur mit dem Unterschied von Tag und Nacht vergleichen läßt. Seit die Deutsche Kammerphilharmonie nach Bremen gezogen ist, seit die „Glocke“ wiedereröffnet wurde und für ihre Organisation mit Andreas Schulz eine sowohl künstlerisch als auch organisatorisch hohe Kompetenz gewonnen werden konnte, seit an der Hochschule für Musik neben mehreren Instrumentalprofessuren auch das Fach Komposition besetzt werden konnte (Younghi Pagh-Paan), seit die Neue Musik bei Radio Bremen durch die Redakteurin Marita Emigholz wieder innovativ und risikoreich vertreten ist, stellt sich der Background für das Musikfest ganz anders dar.
3,2 Millionen Mark kostet es: das Finanzierungsmodell, das Thomas Albert entwickelt hat, ist überzeugend. Nur 800.000 Mark der Gesamtsumme sind öffentliche Gelder, den Rest zahlen Sponsoren, die jeweils einzelne Konzerte finanzieren, nahezu die gesamte Bremer Wirtschaft ist dabei. Das heißt, wenn Sponsoren, aus welchen Gründen auch immer, sich zurückziehen, bricht nichts zusammen, weil immer neue dazu kommen. Thomas Albert hat ein Klima geschaffen, daß „man“ beim Musikfest dabei ist, darüberhinaus kann er auf die sprichwörtliche bremische Spendiermentalität zurückgreifen: in dieser Stadt der Bürgerinitiativen wird noch immer unendlich viel initiiert und bewegt. Gleichwohl muß über eine Millionen über Eintrittsgelder hereinkommen, und in dieser Hinsicht ist das Musikfest für einen großen Teil der Bevölkerung nicht bezahlbar. Das Musikfest tritt – im angeblichen Unterschied zu vielen anderen Namedropping-Festivals – mit dem Anspruch einer Konzeption auf: die erste Garde der historischen Aufführungspraxis soll hier zu Gehör kommen. So sehr das für die ersten Jahre gestimmt hat und die Auftritte von Nikolaus Harnoncourt, John Eliot Gardiner, Roger Norrington, Monica Hugett, Philippe Herrweghe und vielen anderen tatsächlich enorme Impulse gegeben haben, so sehr ist die Konzeption inzwischen verwässert. Von „Experimenten“, „Sensationen“, „Innovationen“ kann keine Rede mehr sein. Die Stars der historischen Aufführungspraxis sind inzwischen überall in der Welt zu hören, und so haben wir nicht „Trends zu entdecken“, sondern zu berichten von einer glanzvollen Kette wunderbarer Konzerte. Zudem gibt es zahlreiche Auftritte aus der „normalen“ Starszene, die den ursprünglichen Anspruch kräftig verwässern, in diesem Jahr das Konzert von Anne-Sophie Mutter, die für viel Geld ihre künstlerische Krise mit Brahms vorgegeigt hat, das insgesamt unbefriedigende Konzert der Wiener Philharmoniker oder auch das des Deutschen Sinfonie-Orchesters Berlin unter der Leitung von Vladimir Ashkenazy. Nennen wir noch einmal die eigentlichen Erlebnisse dieses Musikfestes: das ist an allererster Stelle – und als einziges Gastspiel in Deutschland – der Barockzyklus von William Christie gewesen. Mit seinen „Les Arts Florissants“ zeigte der in Paris lebende amerikanische Dirigent Madrigale von Claudio Monteverdi, „King Arthur“ von Henry Purcell und „La Descente d’Orphée aux Enfers“ von Marc-Antoine Charpentier. Die höchst geschmackvollen halbszenische Aufführungen (Ana Yepes) explodierten nur so vor Spiellust und gesanglicher und instrumentaler Perfektion. So gemacht, verschwindet der Begriff „Alte Musik“: aktuell wirkt der Tod der Clorinda oder die Trauer des Orpheus. Unvergeßlich auch eine andere interpretatorische Sternstunde: Thomas Zehetmair mit dem Violinkonzert von Ludwig van Beethoven unter der Leitung von Roger Norrington. Das war mit dem „Orchestra of the Age of Enlightement“ eine Einheit von Klangschönheit und rhetorischer Musiksprache, die man selten hört.
Ute Schalz-Laurenze