Eine Neuinszenierung wo, wenn nicht hier: 1974 inszenierte Menotti selbst seine Kammeroper am Gärtnerplatz. Und auch die Inspiration kam gleichsam aus der Nachbarschaft: er hatte 1936 zusammen mit Samuel Barber an einer Séance am österreichischen Wolfgangsee teilgenommen – um seinen „eigenen Zynismus zu überprüfen“ und die „Vielfalt von Realität“ zu befragen. In unsere aktuelle Welle von Irrationalismus könnte das Werk mehr als passen…
Die 1946 zunächst wenig erfolgreiche Uraufführung bekam durch den dreimaligen Besuch Arturo Toscaninis den künstlerischen Ritterschlag. Menottis in der Tonalität zentrierte Komposition und der dominierend rezitativische Gesangsstil ebneten der Kammeroper dann auch in Europa den Weg in viele Spielpläne.
Jetzt belebte Ausstatter Rainer Sinell die Handlung frappierend: im technisch bestens ausgestatteten, aber eben doch kompakten Kellerraum der Studiobühne setzte er das Orchester an eine Raumseite; im Zentrum ließ er eine fast raumfüllende Drehbühne kreisen – Signal für das irrwitzig beschwörende Kreisen um eine Wiederkehr der Toten; den Boden des Séance-Raumes bedeckte ein Teppich mit einem Pentagramm im Goldenen Schnitt – Symbol für Abraxas, den Gott der Gnostiker; dazu nur wenige Stühle und ein Beschwörungstisch für Madame Flora, zu der im Verlauf die Eltern eines toten Kleinkindes sowie die Mutter einer verstorbenen Tochter kommen.
Doch die jenseitigen Signale singt Floras Tochter Monica, obskure Geräusche kommen aus einem versteckten Lautsprecher. Monica ist in den stummen Toby verliebt, der bislang bei Flora eine Bleibe hatte. Doch als sie in einer Sitzung eine kalte Hand spürt, zu Tode erschrickt, Toby beschuldigt und ihn verjagt, steigert sich Floras gespielter Kontakt zum Überirdischen nun zum psychotischen Wahn. Sie erkennt zwar, dass sie „vor nichts Angst haben muss“, bricht aber vor der Frage „Warum hab‘ ich dann Angst vor dem Nichts?“ schier zusammen – erschrickt vor einem heranhuschenden Schatten, schießt – und erschießt den zu Monica zurückkehrenden Toby. Diese Selbstinszenierung und Selbstentlarvung gelang Anna Agathonos mit ihrem reifen Mezzosopran überzeugend. Andreja Zidaric verströmte als Monica den jugendlichen Zauber erster Liebe sopransonnig. Christian Schleinzer „erwiderte“ gekonnt in Gebärdensprache. Die verblendet leidend Trost suchenden Eltern waren mit Annkathrin Naidu, Elaine Ortiz Arandes und Timos Silantzis perfekt besetzt. Sie alle und das kleine Ensemble des Staatsorchesters führte Solokorrepetitor Andreas Partilla als Dirigent sicher und gestaltete die Ausbrüche Floras wie den dramatischen Schlusspunkt mit Aplomb. Abendspielleiter Maximilian Berling vermied in seiner Regie unnötige Zutaten, sondern zeichnete Figuren mit präziser Aussage. Menottis Gleichnis von fragwürdig fragilem Trost und bitterer Erkenntnis bekam so einen Anflug von Entlarvung hinein in unsere derzeitige Situation, wo Quer- und Zurückdenker samt dem Irrationalismus von allerlei Verschwörungen aberwitzige Blüten treiben.
Die Aufführung ist auf Youtube kostenlos abrufbar.