Im Sommer 2017 schenkte der Unternehmer und Kunstmäzen Reinhold Würth seiner Frau zum 80. Geburtstag das 60 Millionen Euro teure Kultur- und Kongresszentrum Carmen Würth Forum in Künzelsau mit einem exzellenten Kammermusiksaal, einem großen Saal und einem Open-Air-Bereich für bis zu 10.000 Besucher. Bevor Ende Mai die Reinhold-Würth Musikwochen die erste Spielzeit beschließen werden, sorgte vergangenes Wochenende das aktuelle Zirkusprogramm des österreichischen Musikkabaretts Mnozil Brass für ein volles Haus. Mnozil Brass sind sieben Virtuosen, die seit 26 Jahren in fast unveränderter Besetzung erfolgreich auf Tournee sind und deren Kunst aus mehr als aus tönend bewegten Blech-Klängen besteht.
Mit dem aktuellen Programm „Cirque“ bekamen die etwa 1.500 Zuhörer im großen Saal des Carmen Würth Forums nicht nur ein abendfüllendes Konzert, sondern auch Zirkusnummern inklusive Raubtierdressur, Clowns, Pantomimen, Zauberkünstler, Sänger und Tänzer geboten. Quasi als Dreingabe gab es die Musik selbst – eine exquisite Melange aus Donauwalzer, alpenländischer Folklore, Symphonischem bis hin zu Improvisationen jeder Art, auch sehr jazzigen. In einer Szene spielt Trompeter Robert Rother einen plattenauflegenden DJ, der mit hängender Nadel und Kratzern kämpft: Charmanter kann man einem Nicht-Insider-Publikum Freejazz nicht unterjubeln.
Szene wird zu Musik und Musik zur Szene
Wenn Thomas Gansch sich in einer Overdub-Pantomime eine Live-Begleitung komponiert, um anschließend darüber eine Trompetenkantilene zu legen, dann bekommt man Einblicke in die Mnozilsche Machart: Szene wird zu Musik und Musik zur Szene. Mnozil Brass zeigen jedenfalls nach 26 Jahren keine Routine oder Abnutzung, sondern wirken noch immer frisch und zeitgemäß.
Da kann man nur sagen „Hut ab – Chapeau“ und nochmals die handelnden Personen vorstellen: Erfunden haben Mnozil Brass Trompeter Thomas Gansch – ja, der Chef von Gansch & Roses – und Leonhard Paul, beides ausgewiesene Jazzmusiker mit klassischer Ausbildung und begnadete Improvisatoren. Gansch ist Hochtonspezialist und spielt die erste Geige nicht nur auf der Bühne, sondern auch bei Programmgestaltung und Management. Leonhard Paul spielt nicht nur Posaune, sondern auch Basstrompete und gibt zudem den melancholischen Clown, der mit einer kleinen Geste, einem Augenaufschlag noch die hinterste Reihe in 50 Meter Entfernung zum Lachen bringt.
Die Raubkatze mimt Wilfried Brandstötter, seines Zeichens Tubist – auch seine Raubtiernummer mag als Paradebeispiel dafür gelten, wie man freie Musik ohne Akzeptanzproblem ans Publikum bringt. Musikvermittler aufgepasst, Mnozil macht schon seit zwei Jahrzehnten vor, wie man aus schwerem Stoff leichte Muse macht. Die 2. Trompete bedient Robert Rother, der als Musik-Clown und Unglücksrabe einen fulminanten Platten-DJ gibt. Roman Rindberger hat neben seiner Verpflichtung als 3. Trompeter noch eine als Schönling sowie als Pantomime und Zauberkünstler. Gerhard Füßl hat nicht nur einen silbernen Klang auf der 2. Posaune, sondern ist zudem noch hinreißender Virtuose auf dem Spielzeug-Vibraphon. Reinigungskraft Zoltán Kiss ist als 3. Posaunist engagiert und gehört zur Generation der jungen Wilden im Bestand der ein Vierteljahrhundert alten Kabarett-Blechband.
Wenn die sieben Herren auch noch A cappella singen oder ihr Feinmetall zu einem langsamen Bläsersatz vereinen, dann schlägt der unterhaltsame, bunte Zirkusabend unvermittelt in ein inniges Kammermusikkonzert um. Doch ein Innehalten gibt es nicht. The Show must go on, ein musikalischer Spaß jagt erneut den nächsten und die Mnozil Brass werden manchmal beinahe Opfer ihres eigenen Konzepts: Könnte weniger mehr sein? Solche Grübeleien vergisst man spätestens bei ihrer nächsten Nummer, der lebenden Musikplastik (siehe Foto): Mnozils Musik ist im Grotesken zuhause und ist da am meisten ernst zu nehmen, wo der Nonsense regiert.