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Groß aufschlagen, stark nachlassen, groß enden

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Marc Ribot: „Saints“ (Atlantic), Tzadik and something else beim 25. Jazzfestival Saalfelden
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„3 days of deep impacted Jazz, side shows, club, short cuts and alpine vibes“ – das Motto des 25. Internationalen Jazzfestivals in Saalfelden am Steinernen Meer.

Marc Ribot (guit, voc)

Fast doppelt so alt wie das internationale Jazzfestival Saalfelden: heuer „Artist in Residence“, meint hier: Ribot spielt drei Gigs, die unterschiedlicher nicht sein können: solo im Nexus Club im Rahmen der Short cuts – das sind Konzerte im Intimum der schwarz-stoffenen Kammer, die ein experimenteller Theaterraum ist und mit einer zerbrechlichen, fast an Hank Williams oder an Willie Nelson gemahnenden Stimme, mit Songs, die den Klang gewordenen Road Movies eines Bob Dylan und, na ja, sagen wir ruhig eines Wim Wenders vergleichbar sind. Dann im Duo mit Ikue Mori: viel Elektronik, viel Virtualität dabei und doch: handverlesene Klänge. Schließ- lich im „Mystic Trio“, das ein Rockpowerbook ist oder sein hätte sollen: ein Hendrix-, Cream-, Grand Funk-, Spät-Thin Lizzy-Verschnitt ist und die bange Frage zurücklässt: wozu? Und: Was tut ein „Artist in Residence“ beim 25. Internationalen Jazzfestival in Saalfelden denn eigentlich? Immerhin: Die Idee ist, wenn nicht neu, so doch begrüßenswert, wenn nicht bestechend gut. Ribot spielt eine gute, eine , sagen wir ruhig geile, elektrische Gitarre, wie auch die Kollegen Sonny Sharrock, oder Marc Ducret (auch der war übrigens zugange diesmal) überhaupt: Ribot sollte in seiner Rolle als Artist in Residence den Gitarrenschwerpunkt ausloten am Steinernen Meer. Klar, denn die elektrifizierte Gitarre steht wie vielleicht nur noch das powerbook, der laptop, der computer für das credo des Gerhard Eder, Festivalmacher seit 25 Jahren: „Die Festivalidee entstand vielleicht aus der Motivation, so etwas wie Stadt in einen Ort zu holen, vielleicht sogar aus dem Impuls, nicht immer nach Berlin fahren zu müssen..“

Tzadik = gerechter Mann

Der so Genannte ist John Zorn, Saxophonist, Komponist und seit Zeiten ein Freund der Berge, Freund der alpinen Entrückungen (siehe dort) und ebendarum: Freund der Festivalmacher von Saalfelden: Ob er selbst spielt und wie stets für Furore sorgt oder die Associés in eigenem und auch im Namen des Tzadik die frohe Botschaft in die Welt des Jazz tragen, seit einigen Jahren sind Künstler, deren phonogrammatische Plattform das Label Tzadik ist, kontinuierlich präsent in Saalfelden und das ist auch gut so.

Schließlich gehört die Arbeit des frommen Gerechten zum Bemerkenswertesten, was die Szene derzeit zu bieten hat: Steven Bernstein, der umtriebige Sexmob- Trompeter: Jetzt hat er, nach dem fulminanten Aufschlag unter dem Namen „Diasopa soul“ den „Diaspora Blues“ entdeckt. Den spielt kein Geringerer als Sam Rivers – auch dies eine bemerkenswerte Strategie des Gerechten: Die Großen Alten des sogenannten Free Jazz – sie werden mit ambitiösen Projekten, der inzwischen ja nicht mehr ganz so jungen weißen Wilden – zusammengespannt. Ein aufregendes Konzept wie auch Konzert.

something else

Frauen, frankophone Umarmungen, great Jazz zum guten Schluss: Dass gleich zum Auftakt Louis Sclavis mit Michel Portal die Messlatte des ansonsten eher enttäuschenden 25. Jubiläumsfestivals (sic!) sehr hoch hängen würden, war klar und folgerichtig: groß aufschlagen, stark nachlassen, groß enden.

Portal gilt als einer der Gottväter dieses programmatisch von der Lyoner Musikerkooperative sogenannte Hexengebräu imaginierter Folkloren, postdadaistischer Umtreibungen und doch wird Portal nicht müde, bleibt ein vulkanisches Urgestein, mit dem der nicht minder ehrgeizige Sclavis Seite an Seite die Höhenflüge zelebriert: Auch derlei dürfte zu den verlässlichen Betriebsgrößen dieses so wichtigen Festivals gehören. Das Pan-europäische, Post-amerikanische, die völlige Wirrnis im Matsch (sic!) der Begrifflichkeiten machte die Klammer dieses dennoch eindrucksvollen Festivalprogramms: Was Portal und Sclavis versprochen hatten, löste Dave Holland mit seiner Big Band zum Schluss ein (allein dessen Quintett ist eine Schau mit Billy Kilson, einem fulminanten Trommler und Steve Nelson, einem famosen Vibraphonisten, von der Bläsersektion ganz zu schweigen).

Dann drei Frauenquartette: Geri Allen, Myra Melford und Carla Bley: na ja, nett. Besonders die berückende Intimität der endlich zum Geviert aufgebrochenen Familientriade Bley, Swallow, Sheppard – Billy Drummond ist da als harlekinesker Trommler bes- tens platziert, aber ansonsten? Na ja – hören Sie derweil einen der atemberaubenden Tonträger der Genannten.

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