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Erich Zeisl / Jan Duszynski: Zeisls Hiob, Uraufführung am 19. Juli 2014 in der Reithalle, Musikalische Leitung: Daniel Grossmann, Inszenierung: Miron Hakenbeck. Foto Wilfried Hösl
Erich Zeisl / Jan Duszynski: Zeisls Hiob, Uraufführung am 19. Juli 2014 in der Reithalle, Musikalische Leitung: Daniel Grossmann, Inszenierung: Miron Hakenbeck. Foto Wilfried Hösl
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Großes Thema vertan – Ein komplettiertes Bühnenfragment als „Zeisls Hiob“ in der Münchner Reithalle

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Joseph Roths Roman „Hiob“ endet: „Mendel Singer schlief ein. Und er ruhte aus von der Schwere des Glücks und der Größe der Wunder.“ Das war in dem Zwitter, den das andere Festspielprogramm der Bayerischen Staatsoper in der Reithalle bietet, leider nicht zu erleben. Dabei wäre aus den vielfältigen „Ingredienzien“ sehr wohl fesselndes Musiktheater möglich:

Der Wiener Komponist Erich Zeisl floh vor den auch Österreich gleichschaltenden NS-Kulturbarbaren zunächst nach Paris; dort begann er 1938/39 die Vertonung des „Hiob“-Romans seines Pariser Exil-Genossen Joseph Roth; im End-Exil in den USA hielt sich Zeisl mit Filmmusikkompositionen über Wasser, ergänzte um 1957 einige Passagen und ließ das Fragment liegen; im Auftrag der Staatsoper und unter Mitwirkung der Jüdischen Gemeinde München vollendete der US-Komponist Jan Duszynski die Teile zu einem Über-Drei-Stunden-Musikdrama. Dem lastend langen Abend war nach einer Viertelstunde anzumerken, dass weder Anfangslibrettist Hans Kafka noch Komponist Zeisl genügend Sinn und Gespür für Bühnenwirksamkeit haben.

Die „Hiob“-Katastrophen, die dem Thora-Lehrer Mendel Singer in einem galizischen „Schtetel“ widerfahren, berühren nicht: der letztgeborene kleine Sohn Menuhim ist schwerstbehindert; beide erwachsene Söhne müssen zur Armee; die Mutter kann nur einen illegal freikaufen, der nach Amerika flieht; die lebenslustige Tochter Mirjam lässt sich mit einem Kosaken ein; Menuhim bekommt keinen Pass, weil Behinderte nicht in die USA einreisen dürfen.

Zu all dem erklingt Zeisls Musik, die in schönen tonalen Passagen mit der Ebene Korngold-Schreker-Zemlinsky-Schillings mithalten kann, aber eben die Katastrophen nicht überzeugend in die kleinbürgerliche Zwangs-Idylle hereinbrechen lässt – an Gustav Mahlers Schmerzenston und Katastrophen-Brüche darf der Musikfreund gar nicht denken.

Befremdlicherweise erklingt nach der Pause noch die 2.Szene von Zeisls 2.Akt und dann schließt sich Duszynskis „Amerika“-Teil an. An diesem Text hat Staatsopern-Dramaturg Miron Hagenbeck mitgewirkt und gleichzeitig bei dem Ganzen Regie geführt. Dem Ergebnis ist das Fehlen eines dramaturgisch kritischen Gegenübers anzumerken: lähmende Banalitäten, hanebüchene Bebilderung auf einem mal leuchtenden, mal grauen Podest samt Billigmöbel aus Birkenholz; eine unergründlich immer wieder mal den Raum im Hintergrund öffnende Silberraffgardine; schließlich wohl „irgendwie“ symbolistisch gemeinte Videofilmchen; dann auch noch großformatige Fotos von US-Landschaften(?) als Szenenhintergrund; für sehr lange Thora-Gotteslob-Passagen in Hebräischer Sprache gilt dann auch noch „eher nicht zu kritisieren“ … eine musikdramatische und szenische Totgeburt wie sie alle zwei Jahre auf der Münchner Biennale zu erleben ist.

Leider erwies sich auch Daniel Grossmann am Pult des Orchesters Jakobsplatz München wieder nur als Mezzaforte- bis Fortissimo-Dirigent. Den ungetrübten Beifall verdienten über den angekränkelt wirkenden, detonierenden und forcierenden Chris Merritt als Mendel hinaus vor allem Mária Celeng als kecke Tochter Mirjam, der schöne Bariton von Joshua Stewart als Kosak und US-Farbiger Mike, Peter Loberts Basssonorität für den heillos korrupten Kommissar und die anrührende Mezzowärme der Mutter von Christa Ratzenböck.

Zu Recht Bravorufe erntete der von Stellario Fagone einstudierte zusätzlich geleitete sechsköpfige Kinderchor der Staatsoper. Dann endlich galt O’Neills „eines langen Tages Reise in die Nacht“…

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