Es war die uralte chinesische Geschichte von der Prinzessin Turandot, die Giacomo Puccini begeistert hatte und die er zu seiner nächsten Oper machen wollte. Es sollte die letzte Arbeit seines Lebens werden.

Landestheater Detmold, Puccini, „Turandot“ – (Premiere am 15. September 2023). Foto: Matthias Jung.
Handlung wie in Zeitlupe – Giacomo Puccinis „Turandot“ am Landestheater Detmold
Denn mit dem Schluss des Librettos haderte der Komponist, was bei ihm zu einem Arbeitsstillstand führte. Puccini starb und hinterließ ein unfertiges Werk, Franco Alfano war es dann, der im Auftrag des Verlagshauses Ricordi die „Turandot“ vollendete. Diese Version unterzog Alfano noch einmal einer Umarbeitung, um die ihn Arturo Toscanini, der Dirigent der Mailänder Uraufführung im April 1926 gebeten hatte.
Drei Möglichkeiten also, das Ende der Prinzessin Turandot und des sie liebenden Calàfen zu gestalten. Regisseur Holger Potocki entschied sich im Hinblick auf seine Inszenierung am Landestheater Detmold für den ersten Alfano-Schluss. Zur Erinnerung: der zweite kommt sehr abrupt im Anschluss an jenen Kuss, mit dem Calàf Turandot überrumpelt. Dazu Holger Potocki: „Viel zu einfach: eine merkwürdige Wendung zu einem erzwungenen Happy End, ausgelöst durch einen sexuellen Übergriff. Das ist mehr als befremdlich.“ Potocki hat Recht. Und seine Lesart in der Detmolder Produktion macht dies deutlich: die Sklavin Liù, die insgeheim in Calàf verliebt ist und sich trotz Folter weigert, Calàfs Namen preiszugeben, opfert sich und stirbt! Jetzt passiert etwas in den Köpfen von Calàf und Turandot: sie werden sich ganz unmittelbar der Verantwortung für diesen Tod einer Unschuldigen bewusst, was sich in kleinen Gesten äußert, etwa Turandots zärtlichem Streicheln der toten Liù. Das ist ein bewegender Augenblick!
Das eigentliche Drama spielt sich ab …
Überhaupt ist es in der Detmolder „Turandot“ nicht unbedingt das ganz große dramatische Theater, das im Vordergrund steht. Dazu herrscht viel zu wenig Bewegung auf der Bühne, sowohl im Chor als auch bei den drei Hauptakteuren. Stellenweise wirkt die Darstellung der Handlung wie in Zeitlupe, als wäre beispielsweise das Volk in einem Trance-Zustand. Apropos Volk: es steckt in ganz uniform gehaltenen Kostümen, die wirken, als seien ihre Träger in Stein gefangen und jeglicher Individualität beraubt. Dazu passt die Einfassung der Spielfläche: die hohen Metallgitter, übersät mit gläsernen Scherben, wirken hermetisch, geradezu lebensfeindlich. Ein Zustand, an dem natürlich Turandot schuld ist, verweigert sie sich doch seit ewigen Zeiten dem Gebot ihres Vaters zu heiraten (und so dem Volk zu neuem Leben zu verhelfen)! So bleibt die Prinzessin (auch äußerlich) ein Fremdkörper in dieser trostlosen Gesellschaft. Eine Frau, die sich der Konformität entzieht, stattdessen Selbstbewusstsein und Standhaftigkeit verkörpert. Und von der wir erfahren, dass sie sich am Ende offensichtlich der mitfühlenden Seite als Teil ihrer Persönlichkeit bewusst wird. Ein Weg in eine gemeinsame Zukunft für Calàf und Turandot?

Landestheater Detmold, Puccini, „Turandot“ – (Premiere am 15. September 2023). Foto: Matthias Jung
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