Schon die Bezeichnung „Klavierkonzerte“ verdient bei Joseph Haydn eine nähere Erläuterung: Wir müssen uns hierzu auf den Gebrauch des Begriffs „Klavier“ im 18. Jahrhundert besinnen: er steht für irgendein Tasteninstrument, das sich im Rahmen eines Konzerts in jedem Fall gegen eine Handvoll Streicher durchsetzen muss – wodurch das Clavichord schon einmal entfällt. Doch auf der Orgel sind zumindest einige der Konzerte durchaus spielbar und dann von den barocken Vorbildern Händels nicht gar so weit entfernt.
Hier gerät der Hörer durch die Wahl des Instruments auf eine falsche stilistische Fährte, denn das Cembalo, wie sich durch Einspielungen etwa mit Ton Koopman (Philips) leicht nachprüfen lässt, verortet die Musik sogleich im passenden, eher galanten Umfeld. Nicht dass am Spiel der Österreichischen Kammersymphoniker ernsthaft etwas auszusetzen wäre – nur hätte eben eine echte Kammerbesetzung (zwei Geigen und ein Cello, am besten mit Darmsaiten bespannt) dem Charakter gerade der auch als Divertimenti geführten Concertini besser entsprochen. Der zart perlende und, wo nötig, auch fester zupackende Anschlag Palumbos vermag spontan zu gefallen.
Unter den in dieser Serie (in übrigens ausgezeichneter Klangtechnik) eingespielten Kompositionen befindet sich auch ein von Haydn selbst noch im Alter geschätztes Doppelkonzert mit Sologeige. Dass er darüber hinaus ausgewachsene Violinkonzerte schrieb, ist keineswegs allgemein bekannt, denn die Stücke in C und G erschienen erst 1909 im Druck, während das in A-Dur gar bis 1949 verschwunden blieb. Das gegen 1770 geschriebene C-Dur-Konzert wirkt am fortschrittlichsten – schemenhaft zeichnet sich bereits die Sonatenform ab – und scheint Mozarts Konzerten den Weg zu bahnen. Die beiden wohl etwas früheren greifen auf italienische Vorbilder zurück. Gemeinsam ist allen dreien gegenüber den für den Eigengebrauch verfassten Cembalokonzerten die breitere Anlage sowie die virtuose Behandlung des Soloparts: Ihr Widmungsträger war Luigi Tomasini, Konzertmeister im Haydnschen Orchester. Der armenischen Geigerin Sonig Tchakerian, die in der Neueinspielung für Arts nicht nur die Solokadenzen beisteuert, sondern auch noch temperamentvoll das Orchestra di Padova e del Veneto leitet, ist eine in allen Aspekten ausgewogene Deutung gelungen – was umso mehr erfreut, als gerade die weltberühmten Solisten um Haydns geigerisch dankbare und musikalisch berückende Konzerte sträflich lange einen Bogen machten.
Joseph Haydn: Sämtliche Klavierkonzerte Vol. 1–3; Massimo Palumbo, Klavier; Österreichische Kammersymphoniker Wien; Ltg.: Ernst Theis.
Arts 47629-2, 47630-2, 47631-2
Sämtliche Violinkonzerte; Orchestra di Padova e di Veneto; Sonig Tchakerian, Violine und Leitung.
Arts 47611-2 (Vertrieb: Klassik Center)