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Der Freischütz: Pavel Černoch (Max), Anna Prohaska (Ännchen), Golda Schultz (Agathe). Foto: © Wilfried Hösl.
Der Freischütz: Pavel Černoch (Max), Anna Prohaska (Ännchen), Golda Schultz (Agathe). Foto: © Wilfried Hösl.
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Heillos Inkonsequentes gegen Romantik – Die „Freischütz“-Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper München

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Ein besonderer Abschied wäre möglich gewesen: In der 1990 heillos gescheiterten „Freischütz“-Neuinszenierung donnerte im Nationaltheater der damalige Schauspieler Klaus Bachler die tödlichen „Freikugel“-Bedingungen Samiels ins Theaterrund. Jetzt hätte der gerne als Erzähler oder Vorleser auftretende Intendant Nikolaus Bachler in seiner letzten Saison nochmals… Doch der von ihm engagierte Regisseur sah alles anders.

Der weiße Schimmel „Regietheater“ führt in seinen besten Auftritten bestürzende, faszinierende und horizontbereichernde Werksichten vor. Dafür stand Dimitri Tcherniakow lange Zeit. Als Künstler im 21. Jahrhundert lehnt er „Freischütz“-Gegebenheiten wie Gottesglaube und Eremiten, Teufelspakte und Samiel ab. Er siedelt die Handlung um Probeschuss, treffsichere Kugeln und allerlei Spuk-Brimborium im Hier und Heute an – und muss also viel „in die Moderne übersetzen“.

Als sein eigener Bühnenbildner hat er als Einheitsbild den hochgelegenen Veranstaltungssaal eines schicken Hotels gewählt. Dessen hintere Holzlamellenwand lässt durch Drehen der Segmente in einen weiteren Saal blicken, dahinter Hochhausfassaden. Im Saal feiert ein Oligarch oder Boss (imposant mit dicker Havanna Bálint Szabó) mit einer Business-Society ohne Masken und Abstand (tapfer klangschön der Staatsopernchor; Einstudierung: Stellario Fagone), bedient von Hotelpersonal mit Maske; man säuft Bier aus der Flasche. Der Probeschuss besteht darin, aus dem Hotelfenster wahllos einen Passanten abzuknallen. Dafür kommt Tcherniakows zweite Neuheit zum Einsatz: auf einer schwarzen Leinwand blicken wir mit Max durchs Zielfernrohr und sehen dann bei Kilians Schuss das Gehirn des Getroffenen spritzen – erst nachher wird vorgeführt, dass das ein Fake-Filmchen war.

Damit wir auch verstehen, dass Max ein Weichei ist, läuft er in einer ärmlichen Strickjacke herum, Typ Oberbuchhalter. Diesen panischen Normalo schleift Kaspar, ein wohl traumatisierter Kriegsheld, später in den abgedunkelten Saal als „Wolfsschlucht“ in einem Plastiksack herein. In einer Ölsardinendose mixt er diese speziellen Kugeln und ballert damit lustvoll herum. Da fehlt jegliche Horror-Atmosphäre. Einzig beeindruckende Regie-Idee für Kaspar, die der kernig-böse Bariton Kyle Ketelsen auch bewundernswert umsetzt: aus seinem Trauma heraus antwortet er als „Samiel“ mit gepresst abgedunkeltem Bass sich selbst und beschwört sein Ende. Nach dieser szenischen Enttäuschung zieht sich aber Agathe in eben diesem Saal und nicht in einer Luxus-Suite zur Hochzeit um. Woher Ottokar kommt bleibt unklar, erst recht der Auftritt des Eremiten – doch all das spielt in halbhellem Nacht-Blau – also wohl nur in Maxs neuem Trauma … doch da war schon klar, dass Tcherniakows Werksicht völlig inkonsequent und verkorkst modernisiert war. So retteten auch die auf die Filmleinwand projizierten neuen Zwischentexte nichts.

Trost für die pausenlos gestreamte Aufführung kam aus dem auf Abstand sitzenden Staatsorchester unter Antonello Manacorda. Die auf gute Übertragungsqualität zielende Aussteuerung ließ die Besonderheiten der Orchesterfassung von Eberhard Kloke nicht so recht erkennen. Doch Manacorda vermied alle spätromantische Aufladung der Emotionen, sondern bezog den Gesamtklang auf die damals lebenden Beethoven und Schubert: schlank, klar, straff, melodieselig wo angebracht. Darin folgte ihm ein exzellentes Solistenensemble: neben dem fiesen Kaspar von Ketelsen der tenoral fast zu gesund strahlende Max von Pavel Čhernoch; aus Ännchen hatte Tcherniakow eine zweite Tilda Swinton geformt, die auch noch eine lesbische Beziehung zu Agathe andeuten musste - aber Anna Prohaska sang das einfach strahlend weg. Sie alle überragte Golda Schultz: ihre Agathe klang nach Sopran-Sonnenschein-Gold, dabei weich, mühelos formbar und herzenswarm – eine Verneigung wert. Ansonsten: Auf Nimmerwiedersehen!

  • Ab 15. Februar, 19:00 Uhr, 30 tage lang als Video on Demand kostenlos abrufbar auf Staatsoper.TV

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