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Eröffnungkonzert beim Grafenegg Festival. Foto: Festival Grafenegg
Eröffnungskonzert beim Grafenegg Festival. Foto: Festival Grafenegg
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Helden und Anti-Helden: Brett Dean beim Grafenegg Festival

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Ein heldenhaftes Trompetensignal gleich zu Beginn, welches das Orchester mit einem explosiven Melodiengewebe verweigert. Die Blechbläser bieten Unterstützung an, aber ihre Kameradschaft ist flüchtig. Schon im ersten Satz von Brett Deans Trompetenkonzert Dramatis Personae – welches am 31. August open-air in der Wolkenturm-Arena des Grafenegg Festivals mit Håkan Hardenberger als Solist uraufgeführt wurde – wird die Trompete vom Orchester überwältigt.

Der zweite Satz gestaltet sich als „Soliloquy“, in dem der Solist mit einer wehmütigen Melodie über pulsierende Holz- und Blechbläser sein eigenes Schicksal betrachtet. Im dritten Satz sitzt der Trompeter verstimmt mitten drin in dem von John Storgårds geleiteten Niederösterreichen Tonkünstler-Orchester. Hier zieht sich ein Russischer Marsch auf Charles Ives‘ Art durch das ganze Ensemble, eine Satire, die in einem abschließenden Aufschrei des Blechbläserquartetts zum Abschluss kommt.

Für Dean, Composer-in-Residence des 2007 gegründeten Festivals, ist „Einer gegen Viele“ ein treibendes Thema, welches sein im April uraufgeführtes Werk für Bass-Bariton, Chor und Orchester The Last Days of Socrates auch prägte. Dramatis Personae ist fast zu einer „Symphonie mit Solo-Trompete“ geworden, so Storgårds im Gespräch, indem hier das Orchester „viel lebendiger und anspruchsvoller“ in das Geschehen mit eingebunden ist, als der sonst übliche Begleitpart bei einem Konzert. Dean greift als ehemaliger Bratschist der Berliner Philharmoniker auf tiefgegründeten Kenntnissen von Orchesterpartituren zurück. Die Dichte an Klangfarben und Materialschichten gibt dem Hörer Gelegenheit, immer wieder Neues zu erkunden. Dennoch gelingt es Dean, immer wieder kleine Geschichten mit deutlichen musikalischen, literarischen oder andern außermusikalischen Verweisen einzubauen.

Im Rahmen seiner Residenz leitete Dean auch Composer-Conductor-Workshops, erstmals 2011 mit HK Gruber eingeführt, und wirkte bei der Gestaltung des Programms seiner Werke mit. Mit Beethovens Leonore Ouvertüre Nr.3 und Brahms’ Erster Symphonie – Werke, welche für ihn in der Tradition des Heldentums stehen, oder eine Qualität von „bring it on“ aufweisen, wie es im Podiumsgespräch hieß – entstand zusammen mit dem Trompetenkonzert eine dramaturgische Einheit, so etwa vom Trompetensignal in Beethovens drei Mal bearbeiteter Ouvertüre bis hin zum Bläserquintett aus dem letzten Satz von Brahms‘ Symphonie, welches eine monumentale Modulation ins C-Dur bewirkt.. Storgårds trieb die Tonkünstler – mit Dean selbst als mitwirkendem Bratscher – mit wuchtigen aber polierten Phrasierungen voran, deren Klangbild von dem Sternenhimmel optisch hinreißend verstärkt wurde.

Im nachmittäglichen Prélude-Konzert im Auditorium der Reitschule trat der Komponist selbst als Dirigent in einem Hugo Wolf gewidmeten und von Hugo Wolf inspiriertem Programm auf. Deans Wolf-Lieder für Sopran und Kammerensemble (2006) sind dem geistigen Verfall des wahnsinnig gewordenen österreichischen Liederkomponisten gewidmet. Weniger gelungen war Deans direkt musikalische Nachzeichnung von „Wunden trägst du, mein Geliebter“ aus dem Spanischen Liederbuch—welches unmittelbar davor von der Sopranistin Claudia Barainsky mit den Tonkünstlern in der Originalversion aufgeführt wurde—als seine Vertonungen von neu zusammengestellten Texten, welche Wolfs Nachlass aus eigener Sicht betrachteten. Das dritte Lied „Hört mich durch“ greift auf medizinische Bezeichnungen und Zitate vom Komponisten selbst über seinen Krankheitszustand.

„Ich bin der Direktor der Wiener Hofoper!“ verkündet der Sopran in einer Alban Berg nachempfundenen, gespenstisch klingenden Melodie, die auf Wolfs Wahnvorstellung hindeutet, er müsste die Stelle seines Zeitgenossen Gustav Mahlers antreten. Das vierte Lied „Als Hugo Wolf die Motten kriegte“ ist über ein Gedicht von Charles Bukowski komponiert, welches aus Deans Sicht den Zustand des Komponisten respektlos umdeutet. Fast opernhaft wirkte das Stück in seiner durchdachten Vertonung und poetischen Instrumentation, mit höhnischen Holzbläsern, die in einen Totentanz ausbrechen. Das abschließende Lied „Herrin, ganz zu dir mich wende“ offenbarte immerhin einen kühnen dramatischen Aufbau, etwa als Barainsky das Wort „retten“ über raue Bläser in die Unendlichkeit zückte.

So unmittelbar ist Deans Musik, dass auch das auf Tournee befindliche Pittsburgh Symphony Orchestra mit ihrem Chefdirigenten Manfred Honeck in der Wolkenturm-Arena ein Werk aufführte. Komarov’s Fall (2006), dritter Teil des Triptychons Three Memorials, schildert den im Weltall erlittenen Tod des Kosmonauten Wladimir Michailowitsch Komarov. Motorische Texturen deuten auf das Raumschiff, während glasige Streicher gewichtslos in der Atmosphäre hängen. Perkolierende Holzbläser bauen eine starke Spannung auf bis eine Holzklatsche alles schlagartig unterbricht. Celeste, Flöten sowie kaum wahrnehmbare Streicher schweben in die Leere.

Anschließend trat die Starpianistin Yuja Wang mit einer eigenwilligen Interpretation von Tschaikowskys Erstem Klavierkonzert auf. Dabei erregte ihr äußert kurzes Minikleid wohl ebenso viel Aufmerksamkeit wie ihr eigentliches virtuoses Spiel. Atemberaubend war Honecks Gestaltung von Schostakowitschs Fünfter Symphonie und das Vollblut-Engagement der Musiker. Eine tiefe Spannung zog sich von Anfang bis zum Finale hindurch. Diese blieb auch während des lebendig, tanzend gespielten sardischen Walzers im Allegro erhalten. Das Orchester geizte danach nicht mit zwei Zugaben: ein Entr’acte aus Bizets Carmen und der Galopp aus Khachaturians Masquerade Suite mit einer witzigen Kadenz des Solo-Klarinettisten, die mit Zitaten aus Musik von Johann Strauß und aus The Sound of Music dem Publikum zuzwinkerte.

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