Herrschaftsfrei geht es zu beim Klaeng-Kollektiv, das in Köln zu einer Marke in Sachen lebendiger Jazzkultur geworden ist. Sieben ambitionierte Musiker, die etwas bewegen wollen, formen in Köln seit dem Jahr 2009 einen gemeinsamen Pool für Ideen, Skills und kreative Energie. Eben was man so braucht, um Musik zu kreieren, zu veranstalten und aufzunehmen und was gemeinsam besser als im künstlerischen Einzelkämpferdasein geht.
Dass die Klaeng-Protagonisten in Köln längst zu den Publikumslieblingen gehören, belegen die gut besuchten Festivals – im Sommer in alternativ angehauchten Open-Air-Ambiente (so wie viele Jazzfestivals zu ihrer Geburtstsstunde waren) und im Winter in Kölns guter Stube des musikalischen Fortschritts, dem Stadtgarten. Die aktuelle Ausgabe des Klaeng-Festivals war einmal mehr das Resultat gründlicher Gruppen-Diskussionen.
Wo die künstlerischen Leiter zugleich auch fabelhafte Musiker sind, kann natürlich bestens aus eigenen Potenzialen geschöpft werden: „Medusa Beats“ heißt die aktuelle Band des Schlagzeugers und Klaeng-Mitbegründers Jonas Burgwinkel. Zu erleben gab es hochkomplexe Interaktionen im gleichberechtigten Ideenfluss. Pianist Benoit Delbcecq liebte an diesem dritten Festivalabend die verspielten Läufe, Jonas Burgwinkel zeigte sich als Lieferant kraftvoller rhythmischer Muster, aber auch immer wieder als meditativer Klanglyriker am Schlagzeug. Und es gab viel zu tun, um der latenten Führungsrolle von Bassist Peter Eldh Paroli zu bieten. So geht improvisiertes Miteinander, das sich vor allem in den Randbereichen des Genrebegriffes Jazz erst richtig wohl fühlt!
Dass in der klassischen Musik, vor allem im modernen Repertoire immer noch so viel Entdeckenswertes schlummert, darauf hatte der Kölner Pianist Florian Ross in einem flammenden Grundsatz-Vortrag auf dem UDJ-Forum eine Woche vorher hingewiesen. In kolossaler Manier machte im Stadtgarten das renommierte Auryn-Streichquartett diese Erkenntnis hörbar. Man konnte drüber diskutieren, wer schließlich das größere Kompliment verdiente: Die Streicher des Auryn Quartetts, die ihr ambitioniertes Spiel mit resoluter Präzision, aber unter suboptimalen Bedingungen (zu viele Nebengeräusche durch eine Lüftung) entfalteten? Oder das Publikum, das sich vorbehaltlos öffnete und auf Anhieb in diese wirklich schonungslose Materie eintauchte? Witold Lutoslawkis Streichquartett zeichnet ein sprödes Geflecht aus Motiven und Klanggesten, schöpft umso verdichtetere Abläufe aus einem raffinierten Zufallsverfahren. Auch Bartoks zweites Streichquartett bietet komprimierte Strukturen und viel einschüchternde Strenge, gepaart mit bebender Leidenschaft und vielen Spurenelemente in der osteuropäischen und vereinzelt auch in der arabischen Musiktradition. Bartok ist hier genauso „open minded“ wie es sich für jeden engagierten Jazzer gehört, wenn es um das unablässige Erforschen und Einverleiben kultureller Reichtümer geht. Auch wenn das Auryn-Quartett nicht ultimativ die ganzen Potenziale der klangsinnlichen Verfeinerung und Zuspitzung ausreizte – die Zuhörer wurden davon berührt, erlebten tief und analysierten wenig. So mucksmäuschenstill ist es in einem „normalen“ Klassik-Konzertsaal bei derart „ungefälliger“ Musik selten...
Doch es war an diesem Festivalabend noch nicht genug der unbekümmerten Richtungswechsel: „Der König“ nennt sich ein eigenwilliger Alleinunterhalter aus Wien, der gleichzeitig rappt, energisch das Drumset spielt und schrillbunte Klangfarben mit viel Liveelektronik malt. Licht ins Dunkel bringt „der König“ durch neonfarbene Aufkleber und ebenso gefärbte Lippen, so dass nur ein Mund ohne Gesicht zu sehen ist, aus dem Rapsalven und dadaistische Poetry kommen. Das wirkte alles zusammen ganz schon „spooky“, aber setzte auch die Tanzbeine von jung und alt (!) zuverlässig in Bewegung. Man muss sich einfach nur mal was trauen!