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Männernamen umkreisen als Planeten die Frau: Karita Mattilas als Émilie du Châtelet. Foto: JP Maurin
Männernamen umkreisen als Planeten die Frau: Karita Mattilas als Émilie du Châtelet. Foto: JP Maurin
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Heute wäre sie Nobelpreisträgerin

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Kaija Saariahos oberflächenpolierte Oper „Émilie“ in der Opera national de Lyon uraufgeführt
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Die finnische Komponistin Kaija Saariaho gehört seit der Uraufführung ihrer ersten Oper „L‘amour de Loin“ bei den Salzburger Festspielen anno 2000 zu den begehrtesten Adressen des internationalen Musik- und Operngeschäfts. Sie lebt in Paris, Gerard Mortier war in Salzburg sozusagen ihr Entdecker – was braucht es mehr, um weitere Aufträge zu erhalten.

Als Pariser Operndirektor erbat sich Mortier von Kaija Saariaho eine zweite Oper: „Adriana Mater“, die 2006 Premiere hatte. Jetzt kam die Opera national de Lyon zum Zuge: Die dritte Saariaho-Oper erhielt nur noch einen Frauenvornamen als Titel – „Émilie“ steht aber für eine höchst reale, wenn auch historische Figur.

Émilie du Châtelet, so liest man in Christian Gottlieb Jöchers „Allgemeinem Gelehrten-Lexikon“ von 1750, „ist eine gelehrte Dame, war des Baron von Bretreuil, Introducteurs der Gesandschaften am französischen Hofe, Tochter und des Marquis du Châtelet-Laumont, königl. französischen General-Lieutenant, Gemahlin“.

Émilie, 1706 geboren und nach dem Willen ihres aufgeklärten Vaters nicht im Kloster, sondern von ausgesuchten Privatlehrern erzogen, erhält eine umfassende Bildung. Sie lernt Latein, Griechisch, Englisch und Italienisch, vor allem aber interessiert sie sich für die Naturwissenschaften, für Mathematik und Geometrie. Reiten und Fechten gehören zur standesgemäßen Ausbildung. Mit neunzehn wird sie mit dem schon etwas älteren Florent Claude du Châtelet verheiratet, dem sie zwei Kinder schenkt, eine Tochter und den Sohn Florent Louis – der 1794 guillotiniert werden sollte.

Im Jahr 1734, Émilie hatte kurz davor ihr drittes Kind geboren, wird ihr in der Oper Monsieur Voltaire vorgestellt, der gerade aus dem englischen Exil zurückgekehrt war. Eine schicksalshafte Begegnung.

Voltaire, Émilie und die drei Kinder fliehen gemeinsam nach Cirey-sur-Blaise in der Champagne, wo die Familie Châtelet ein ziemlich heruntergekommenes Schloss besitzt. Voltaire finanziert die Instandsetzung, lässt ein Labor für naturwissenschaftliche Experimente und auch ein Theater einbauen. Émilie liebt es, dort selbst als Schauspielerin und Sängerin aufzutreten. Sogar in einer Rameau-Oper wirkt sie mit.

Insofern kann man es verstehen, dass die Dame Émilie du Châtelet nunmehr in verwandelter Gestalt auf die Opernbühne zurückkehrt. Hochgewachsen wie das Vorbild betritt die Sopranistin Karita Mattila die Lyoner Szene. Ihr widmete Kaija Saariaho das neue Werk, eine Einpersonenoper.

Émilie-Mattila sitzt in der ersten von neun Szenen am Schreibtisch unter einer riesigen krakenartigen Konstruktion (Bühnenbild: François Séguin), die mit zahlreichen beweglichen Metallarmen das Planetensystem darstellt. Die planetarischen Kugeln tragen zugleich die Namen von Émilies Männern und Freunden: den des Gatten, Voltaires, des Offiziers Saint-Lambert, von dem sie ein Kind erwartet. Émilie schreibt mit weich kratzender Feder ihre Gedanken auf das Papier –Kaija Saariaho avanciert für einige Augenblicke zur avantgardistischen Geräuschartistin.

Émilie wird von dunklen Bildern und Gefühlen überfallen. Sie schreibt gleichsam ahnungsvoll gegen ihr Ende an. Newton, dessen naturphilosophische Theorieschriften sie vom Lateinischen ins Französische übersetzt, die philosophischen Gespräche mit Voltaire, private Leidenschaften – das alles und viel mehr bedrängen ihren Sinn.

Kaija Saariaho ließ sich von ihrem Lieblingsautor Amin Maalouf auch für ihre dritte Oper das Libretto schreiben. Maalouf ist ein gebildeter, einfühlsamer Textdichter, fast möchte man sagen: ein Poet, der Gefühl für Stimmungen, Atmosphärisches, psychologisch Schwebendes besitzt. Das funktionierte zum Teil noch in den ersten beiden Saariaho-Opern, führt hier jedoch nur mehr an die fein polierte Oberfläche. Die Physiologie naturhafter Phänomene in Bezug auf menschliche Verhaltensweisen hat Goethe schon in seinen „Wahlverwandtschaften“ eindringlicher analysiert. Maalouf gleitet gepflegt über alles hinweg. Seine „Émilie“ gewinnt kaum eine existentielle Dimension, die allein die historische Figur für uns interessant werden lassen könnte. Neun lange Szenen geben im leichten Boulevardstil Auskunft über einige eher private Befindlichkeiten der Émilie du Châtelet.

Aber Saariahos Musik mit ihrer kultivierten, durchaus farbigen, aber monochromen Klanglichkeit dringt auch nicht tiefer in das Innere der Figur ein. Da hilft Kazushi Onos engagiertes Dirigieren nicht viel (das Lyoner Orchester zeigte sich einmal mehr in Bestform). Und Karita Mattilas bewundernswerte gesangliche Leistung konterkarierte ein ziemlich schematischer Operngestenkanon, weil dem Regisseur Francois Girard auch nur das Übliche eingefallen war.

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