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Hilflos zappelnd schwimmt der Tänzer in der Luft

Untertitel
Traumtext II: eine Musiktanzperformance der Münchner Komponistin Helga Pogatschar
Publikationsdatum
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Heiner Müllers „Traumtext“, einer seiner letzten von 1995, ist der nüchterne und doch hochgradig emotionale Bericht eines geradezu archetypischen Alptraums und darin durchaus Franz Kafkas „Verwandlung“ ähnlich. Dort wacht ein Mann eines Tages auf und muss als Käfer hilflos auf dem Rücken ausharren: Bei Müller fällt ein Vater in ein Wasserbecken und vermag sich und seine Tochter trotz aller Anstrengungen nicht zu befreien; der Ausgang bleibt offen.

Auch in der interaktiven Musik-Tanz-Performance „Traumtext II“ (ein 2004 in der Münchner Muffathalle uraufgeführter „Traumtext“ hatte noch einen direkten Bezug zu Müllers Biographie) der Münchner Komponistin und Hörspielautorin Helga Pogatschar und des spanischen Tänzers Cesc Gelabert spielt der im Text beschriebene „Kessel“ eine Hauptrolle. Vater und Tochter sind durch ihn in ihrem Gefängnis gelandet; nun hängt er in der Black Box des Münchner Gasteig als Zylinder wie ein Damoklesschwert über einem quadratischen Spielfeld, um das die Zuschauer sitzen: als Projektionsfläche für faszinierend bunt schillernde Menschenmassen aus der Vogelperspektive, verfremdet oder real, in Slow Motion oder Zeitraffer (Jörg Staeger). Währenddessen wälzt sich der Tänzer langsam liegend um den Rand der Spielfläche.
Über Lautsprecher werden versprengte Celloklänge und Textfragmente – gelesen von Horst Sachtleben und Jürgen Holtz – eingespielt. Live erklingen delirierende, nervöse Duos von Posaune (Sebi Tramontana) und Bassklarinette (Frank Gratkowski).

Nach einer halben Stunde beginnt das eigentliche (Tanz-)Spiel: „Ich gehe ... einen schmalen Betonstreifen ... am Rande eines riesigen Wasserbeckens entlang.“ Nun wird der Tänzer in seinem schlichten schwarzen Leinen-Anzug (Anja Wüst) zum Zentrum, löst er durch seine Bewegungen in einem Computer-Setup vorgefertigte Klänge aus. Manchmal gerinnen die live dazu gespielten Töne von Klarinette und Posaune zu berückender Sphärenmusik. Und doch bleibt die Bedrohung, die Ohnmacht des Mannes in jeder Drehung des Körpers, die unterschiedlichste musikalische Schatten wirft, spürbar.

Doch das Geschehen dreht sich immerzu im Kreis. Hilflos zappelnd „schwimmt“ der Tänzer auf dem Boden liegend in der Luft. Auch hier: Black out und offenes Ende.

Über gut eine Stunde hält Cesc Gelabert die Spannung, bewegt, dreht und verschraubt er sich zugleich gehemmt, verstört und elegant virtuos in sich selbst, vermag die Musik Helga Pogatschars die emotionalen Abgründe des Textes zu durchleuchten.

Präzise Auskomponiertes mischt sich mit Improvisation als Reflexion der allumfassenden Ohnmacht des Protagonisten, Prägnantes mit Diffusem. Und doch wünscht man sich manchmal die Extreme: dass die Sätze Heiner Müllers weniger zersplittert werden – oder dass sie ganz wegfallen.

Denn Rauminstallation und Licht (Michael Bischoff), Regie (Sebastian Hirn), Tanz und Musik sind stark genug, um die Botschaft von Heiner Müllers „Traumtext“ zu tragen, ja zu intensivieren.

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