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„History, Remembrance and Music“

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Eindrücke der Cellistin Franziska Lüdicke vom Meisterkurs in Berlin und Israel
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Der Meisterkurs „History, Remembrance and Music“ – ein Projekt der „Jeunesses Musicales Deutschland“ –, der im Oktober vergangenen Jahres in Berlin und Israel stattfand, gehört eindeutig zu den positiven Ereignissen, die die Auseinandersetzung mit dem Holocaust immer wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken.

Der Holocaust als ein Teil deutscher Geschichte spielt in unserer heutigen Zeit immer noch eine große Rolle. Sei es im positiven Sinne die Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit diesem Thema und sei es im negativen Sinne immer wieder aufflammende Gewalt gegen Ausländer oder gar das Verleugnen der Taten im Dritten Reich (man denke nur an den Fall „Röder“, der unlängst die Tagespresse beschäftigte). Der Meisterkurs „History, Remembrance and Music“ – ein Projekt der „Jeunesses Musicales Deutschland“ –, der im Oktober vergangenen Jahres in Berlin und Israel stattfand, gehört eindeutig zu den positiven Ereignissen, die die Auseinandersetzung mit dem Holocaust immer wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken. Für uns Musikstudenten war dieser Kurs etwas ganz Einzigartiges. Er verband Musik – unsere „Passion“ und unsere Zukunft – mit der Geschichte, die ebenso zu unserem Leben dazugehört; heute und in der Zukunft. Vor unserem Aufenthalt in Israel nahmen wir an einem Einführungsseminar zum Thema Holocaust teil, das im „Haus der Wannseekonferenz“ stattfand und das Ziel hatte, uns einerseits die Bedeutung dieses Hauses zu verdeutlichen, andererseits unser geschichtliches Wissen zu festigen und zu erweitern. In angeregten und auch heftigen Diskussionen, wurden Meinungen ausgetauscht, Filmmaterial ausgewertet und Vorträge in kleinen Arbeitsgruppen ausgearbeitet und später vorgestellt. Die Vorbereitungsphase fand ihren Abschluss in einem Konzert und war gleichzeitig Auftakt für die praktische Phase des Kurses.

In Israel kam dann neben den historischen Aspekten („History“) die künstlerische musikalische Arbeit („Music“) mit den Professoren aus Kanada, Israel und Deutschland hinzu. Im Mittelpunkt standen Prof. Edith Kraus (Klavier) und Prof. Paul Kling (Violine). Sie gehörten zur künstlerischen Elite des Ghettos Theresienstadt und setzten nach ihrer Befreiung aus den Konzentrationslagern die in jungen Jahren abgebrochene Karriere fort. Ebenfalls erwähnt werden sollten Prof. Konrad Richter (Klavier) aus Stuttgart, ein Spezialist für die Klaviersonaten von Viktor Ullmann, und Prof. Emilie Berendsen, die die Kursteilnehmer für Gesang betreute.

Die musikalische Arbeit mit Frau Kraus und Herrn Kling war etwas Besonderes. Besonders deshalb, weil sie in Theresienstadt unmittelbar mit den Komponisten und deren Intentionen bezüglich ihrer Werke in Kontakt gestanden haben. Dieser Aspekt machte diesen Kurs so außergewöhnlich und so wichtig. Als Musiker hat man das Bestreben, Kompositionen möglichst nach den Vorstellungen des Komponisten zu interpretieren. Bei Werken der Romantik und der Klassik ist dies sehr schwer, da die Komponisten selbst nicht mehr am Leben sind und authentische beziehungsweise objektive Quellen meist fehlen. In diesem Fall gibt es aber Menschen, die die Komponisten noch gekannt haben und über sie berichten können. Das half uns, die Musik besser im Kontext zu verstehen. Nicht nur während des Unterrichts erfuhren wir etwas über diese Zeit. Es gab darüber hinaus musikwissenschaftliche Vorträge, gehalten von Prof. David Bloch und persönliche Lebenserinnerungen der Künstler vor, während und nach dem Holocaust. Außerdem hatten wir die Möglichkeit, Videomaterial anzuschauen und im Archiv von Beith Theresienstadt Informationen zu bekommen. Insgesamt konnten wir die Möglichkeiten, die sich uns boten, gar nicht ganz ausschöpfen, da die Zeit einfach zu kurz war. Trotzdem hat wohl jeder Einzelne sehr viel von diesem Kurs mitgenommen. Deshalb ist es auch wichtig, dass sich immer wieder Sponsoren für solche Projekte finden und sie unterstützen. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an alle, die dieses Projekt ermöglichten. Der letzte Punkt, den ich hier ansprechen möchte, bezieht sich noch einmal auf das Anliegen des Kurses. Fast alle bedeutenden Theresienstädter Komponisten wurden im Dritten Reich in Auschwitz ermordet. Ebenso galten ihre Werke für lange Zeit als verschollen und wurden zudem tabuisiert. Allmählich verliert man die Scheu vor dieser Zeit und setzt sich dafür ein, dass die Komponisten und ihre Kompositionen in der Musikwelt wieder als „normal“ angesehen werden, das heißt, dass sie in Konzerten öfter erscheinen und ihren „Besonderheitsstatus“ verlieren. Dieser Kurs hatte das Ziel, diesen Prozess zu unterstützen. Ich denke, dies ist gelungen und sollte so oft als möglich wiederholt werden, damit nicht nur eine kleine Gruppe davon profitiert.

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