Irina Brooks Umgang mit „L’Elisir d’Amore“ zeugt durchaus von Handwerk, von intensiver Regiearbeit mit den Sängern. Aber das Konzept einer Wandertruppe, die auf einer Bühne auf der Bühne die nicht immer heitere Handlung spielt, ist abgegriffen, und auch die Ästhetik der an Fellinis „La Strada“ anknüpfenden Zirkuswelt wirkt arg abgestanden. Und was Roberto Rizzi Brignoli mit dem wohldisponierten Orchester der Deutschen Oper Berlin aus der Partitur der 1832 uraufgeführten Opera buffa schlägt, ist bestenfalls domestizierte Festtagskost.
Adina ist eine ständig offen ihre Kostüme an- und ablegende Sängerin auf der Bühne des von roten Zirkuswohnwagen umstandenen „Teatro Adina“. Scheinbar keine Chance bei ihr hat der Hilfsarbeiter Nemorino, denn der gefeierte Star richtet sich nach oben aus und sieht im obersten Militaristen Belcore (Simon Pauly), dessen Macht sie mit männlicher Potenz zu verwechseln scheint, einen idealen Heiratskandidaten.
Nemorino erwirbt von dem gerade des Weges ziehenden frühkapitalistischen Wunderdoktor Dulcamare, der mit seinem permanent zaubernden stummen Gefährten Ricky (Geoffrey Carey) selbst einem Zirkus entsprungen zu sein scheint, einen Liebestrank. Im sicheren, weil durch die Vorlage von Tristan und Isolde mythisch untermauerten Vertrauen gebärdet er sich fast so ungebührlich, wie historisch einstens E. T. A. Hoffmann angesichts der Hochzeit seiner geliebten Schülerin Julia Mark mit einem reichen Kaufmann. Auch Nemorino fehlt es an Geld – sogar für einen Nachschubkauf bei Dulcamare, und so lässt er sich vom Nebenbuhler als Soldat anwerben.
Scheinbar wirkt der von ihm genossene Trank allerdings doch gegenüber allen Frauen, die sich nächtlich an ihn heranmachen – sobald sich in der Damenwelt die Kunde verbreitet hat, dass sein reicher Erbonkel gestorben ist. Adina macht einen Quantensprung in Erkenntnis wahrer Liebe, zaubert (nahe am Souffleurkasten und mithilfe von dessen Besatzung) eine Hochzeitstorte unter ihrem Rock hervor und kauft Nemorino dann von seiner Bindung frei. Sofort legen nun die Beiden ihre Kleidung ab und verschwinden zum sofortigen körperlichen Ehevollzug in den roten Zirkus-Wohnwagen, dessen Schornstein nun heftig raucht.
Merklich gespart
Nicht nur beim Bühnenbild von Noëlle Ginefri – mit abschließender Operafolie und darauf projiziertem Mond – wurde diesmal merklich gespart, auch bei der Übertitelung, wo diesmal nur ca. jeder fünfte Satz der im italienischen Original erklingenden Oper auf Englisch und Deutsch mitzulesen ist.
Die Kostüme von Sylvie Martin-Hyszka versuchen den Bogenschlag von einem historisierenden Theaterrückbezug der Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts zur Gegenwart.
Obgleich die Deutsche Oper Berlin auf eine Aufführungstradition mit den Tenören Luciano Pavarotti und Richard Leech, die hier in den achtziger Jahren als Nemorino Triumphe feierten, zurückblicken kann, würde diese Oper grundsätzlich wohl besser in die Komische Oper passen, doch ist sie im Jahr nach dem 200. Geburtstag Richard Wagners sicherlich bewusst gewählt: immer wieder nimmt Felice Romanis Libretto nach Eugene Scribes Drama „Le Philtre“ auf die Liebe der Königin Isolde zu Tristan Bezug, und auch Donizetti hat die Partien des ungleichen Liebespaars für Sopran und Tenor gesetzt, allerdings für wesentliche leichtere Stimmfächer; hier sind Koloratur, Leichtigkeit und Belcanto gefragt, die am Premierenabend unterschiedlich eingelöst wurden. Die an diesem Haus erfolgreich gewachsene Sopranistin Heidi Stober gewinnt mit den von ihr mühelos gemeisterten Klippen der Adina weiter an Format. Der darstellerisch voll überzeugende amerikanische Tenor Dimitri Pittas nimmt den Nemorino kernig, lässt allerdings in der berühmten, gegen Ende erklingenden Arie „Una fortiva lacrima“ einiges an Schmelz und Strahlkraft vermissen.
Als Dulcamare bietet Nicola Alaimo eine treffliche Paraderolle, paart Körperfülle mit stimmlicher Leichtigkeit, stimmliche Groteske mit Durchschlagskraft. Eine gute Figur – in Hotpants, wie stimmlich – macht auch die junge Alexandra Hutton als Giannetta, hier die Regisseurin im Spiel. Der von Thomas Richter einstudierte Chor agierte diesmal mit gemessener Spielfreude.
Einige Besucher verließen in der Pause offenbar enttäuscht das Auditorium und verpassten die merkliche Steigerung im zweiten Akt. Am Ende gab es ungeteilt freundlichen Applaus für alle Beteiligten.
- Weitere Aufführungen: 30. April, 3, 8., 10. Mai 2014.