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Konzert in der Wand. Foto: Spiegel
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Höhenluft und höherer Unernst – Funkelnder Auftakt beim Südtirol-Jazzfestival

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Jazz-Wanderglück bei strahlendem Sonnenschein – und Klängen von außergewöhnlich buntem Charme: Auch so lässt sich ein Sonntagmittag verbringen. Auf 2.154 Metern Höhe, bei der „Comici Hütte“ am Sellajoch mit Blick auf die imposanten Massive des Sellastocks, eine gute Autostunde und einen strammen Fußweg von Bozen entfernt, setzte der Trompeter Matthias Schriefl im knallbunten Karo-Anzug und mit vielstimmiger Unterstützung zu einem musikalischen Schelmenstück voller komödiantischer Gipfelpunkte an.

Mit dem Männergesangverein Brixen 1862 unter der Leitung von Christian Unterhofer und den Musikern von Schriefls Band „Six, Alps & Jazz“ fanden in einer schattigen Nische vor zerklüfteten Felsen beherzte Chorstimmen und jazzige Bläserpracht zu so ungewöhnlichen Botschaften zusammen wie dieser, gesungen selbstverständlich aus klangvollen Kehlen mit gebotenem Pathos: „Freie Sicht aufs Mittelmeer – die Berge müssen weg!“

Von fern bimmelten gemütlich die Kuhglocken dazu, eine Kletterergruppe bot in der Felswand eine rhythmisch passende Choreographie zur Musik – und Solisten wie Saxophonist Florian Trübsbach, Rapper und Saxophonbläser Soweto Kinch und Schriefl selbst, wahlweise mit Trompete, Alphorn, Baritonhorn und manchmal auch mit zwei Blasinstrumenten gleichzeitig, garnierten die Gesänge mit Sounds, die von der lustvolle Kollektiv-Improvisation bis zum souligen Groove alle möglichen Facetten hatten. Ein Projekt, dessen Idee – wie Schriefl, der hochbegabte Clown unter den Spitzenmusikern des aktuellen europäischen Jazz dem Publikum erzählte – auf einer Taxifahrt von Südtirol nach Rosenheim entstand: Der Musiker hatte einen Zug verpasst und erfuhr durch den Taxifahrer von der besonderen Weltoffenheit des vor 153 Jahren gegründeten Brixener Chors. Die Lederhosen und der bunte Anzug passten denn auch gut zusammen – und das Publikum nahm den höheren Unernst und die schräge Ironie des von Schriefl komponierten Programms mit viel Beifall und Augenzwinkern. Als „Kinder und Kinderinnen“ hatte Schriefl die Zuhörer zu diesem Programm mit dem Titel „Singing Rocks“ begrüßt und unbefangene Neugier dafür zurückbekommen.

Eines steht fest: Überzeugender als beim Südtirol-Jazzfestival kann man wohl kaum für den Jazz werben. Dieses Festival, das noch bis zum 5. Juli ein Programm mit 88 Konzerten an 57 Orten rund um Bozen, Brixen und Meran stemmt, zeigte beim Eröffnungswochenende, wie ungemein lebendig und vielfarbig Jazz sein kann – und dass diese Musik offenbar geeignet ist, an den unterschiedlichsten Plätzen Spaß zu machen und Sinn zu stiften.

Statt auf altbekannte amerikanische Stars setzt dieses Festival auf ungewöhnliche Kombinationen und auch auf Neuheit, wie diesmal das Thema „London Underground“. Beim Eröffnungsabend im Stadttheater Bozen steckte der Schweizer Vokalist Andreas Schaerer mit seinem Projekt „Fanfare fatale“ kreativ funkelnd den weiten Horizont ab – acht Musiker unterschiedlicher Herkunft, bewegende Stimmen-Akrobatik von Schaerer und seiner französischen Kollegin Leila Martial und eine schillernde  Rap-Einlage des Londoners Soweto Kinch über den vom Publikum zugeworfenen Worten „joyful“, „amazing“, „zero“ und „zulu“ (nach den Anfangsbuchstaben des Wortes Jazz).

Und wer noch einmal ganz andere Töne wollte, konnte am nächsten Morgen im „Museion“, dem Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, in gläsern-stilvoller, angenehmer Kühle die junge britische Band „Blue-Eyed Hawk“ mit subtilen Songs hören, die unter anderem von Franz Kafka und von Zeilen des irischen Dichters William Butler Yeats inspiriert waren. Jazz für Entdeckungsfreudige – die für dieses Festival zuweilen gut zu Fuß sein sollten, immer aber: offen im Kopf. Dann geht es höher hinauf, als man erwartet.

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