Das letzte „Musik der Zeit“-Konzert des Westdeutschen Rundfunks Köln stand unter dem Thema „Geistliche Musik“. Igor Strawinskys in den sechziger Jahren komponiertes „Requiem canticles“, in einer Kurzform des liturgischen Textes, György Ligetis ebenfalls in dieser Zeit konzipiertes „Requiem“ sowie sein mikropolyphonales Orchesterwerk „Apparitions“ („Erscheinungen“) aus den Jahren 1958/59 wurden durch eine Uraufführung thematisch erweitert: Den italienischen Komponisten Ivan Fedele, geboren im Jahr 1953, faszinierte die „theologische Tiefgründigkeit und poetische Kraft“ des Prologs zum Johannesevangelium, die „Spiralbewegung“, wie Worte und Begriffe Existentielles des Menschseins durchdringen.
Für die Realisierung seiner Ideen konzipierte der Komponist das Stück „En archè“ für Frauenstimme, Violine und Orchester, das durch das WDR-Sinfonieorchester Köln unter Leitung von Peter Eötvös und mit der Geigerin Carolin Widmann und der Sopranistin Barbara Hannigan eine eindringliche Darstellung erfuhr.
Ivan Fedeles mikrotonale harmonische Strukturierungen mit differenzierten, jeweils höher oder tiefer gestimmten Teiltönen verleihen dem Klangcharakter der Musik einen eigentümlichen und faszinierenden archaischen Tonfall. Aus dem subtil ausdifferenzierten Klangbild heben sich Frauenstimme und Solovioline im „Dialog“ zugleich mit dem Orchester äußerst plastisch heraus. Der in griechischer Sprache gesungene Text und die damit korrespondierende Violinstimme vereinen sich zu einem gestenreichen, oft sehr klanghellen „Gespräch“. Mit „En archè“ ist Ivan Fedele ein ernstes, ausdrucksstarkes Bekenntnis-Werk gelungen. „Im Anfang war das Wort“: Hier steht für den „Anfang“ auch eine ebenso klangmächtige Musik, die „letzten Dingen“ eine eigene Sprache zu geben vermag.