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Suggestive Klanginstallation mit Restsüße: Pascal Dusapins „Lullaby Experience“. Foto: Monika Rittershaus
Suggestive Klanginstallation mit Restsüße: Pascal Dusapins „Lullaby Experience“. Foto: Monika Rittershaus
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Im Endlos-Loop der Schlaflieder

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Pascal Dusapins „Lullaby Experience“ mit dem Ensemble Modern in Frankfurt am Main
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Es ist ziemlich dunkel im Frankfurter LAB, den Boden bedeckt eine dicke Schicht weißer Daunenfedern. In der Mitte des Raums steht ein riesiges Bett, das zum Fußende hin im Boden zu versinken scheint, hinten hängt ein leuchtender Mond von der Decke, daneben baumelt eine Schaukel herab, ein Clown – oder ist es eine Puppe? – sitzt reglos in einem Lichtkegel, sanfter Pyronebel trübt nur leicht die blaue Lichtstimmung, aus den im Raum positionierten Lautsprechern perlt sanft das Geräusch von gluckerndem Wasser. Bevor man diesen Ort des Geschehens betreten darf, muss man Schuh-Schoner anziehen und es wird darauf hingewiesen, dass es drinnen so gut wie keine Sitzplätze geben wird.

So wird gewährleistet, dass das Publikum unwillkürlich Teil des Musiktheaters „Lullaby Experience“ wird, das im Rahmen der „Frankfurter Positionen“ – in diesem Jahr unter dem Motto „Grenzen der Verständigung“ zur Uraufführung kommt. Sofort ist jeder Teil einer kindlichen Trance-Traumszenerie, Teil der Raum-Klang-Installation, die im Lauf der ersten 30 Minuten nur langsam in Bewegung gerät. Bei jedem Schritt plustern die Federn in alle Richtungen, unter das wandelnde Publikum mischen sich nach und nach weitere Akteure: Aus den Laken des Riesenbetts pellt sich eine bezopfte Darstellerin im rosa Nachthemd mit Plüschhund, eine Ballerina, eine Art Conferéncier, später ein Stelzenmann, eine Vorleserin, ein älterer Schreibtischhocker – wahrscheinlich Finanzbeamter -  mit Aktentasche. Dann ertönen Stimmen aus den Lautsprechern, die einfache Melodien intonieren, nach und nach einander überlagen und sich schnell zu einem unentwirrbaren Stimmteppich verdichten. Manchmal glaubt man, eine Phrase zu erkennen, wie etwa „morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt“ aus Brahms’ „Guten Abend, gut’ Nacht“, aber eigentlich klingt alles irgendwie bekannt, was da sanft in den Raum weht.

Kein Wunder, denn das Projekt „Lullaby Experience“ ist der Versuch, aus dem kollektiven Musikgedächtnis der ganzen (westlichen) Welt die prägenden Melodien der Kindheit einzusammeln und daraus so etwas wie einen riesigen Cluster der Wiegenlieder zu formen. Tatsächlich handelt es sich um ein partizipatives Projekt, das der französische Komponist Pascal Dusapin ersonnen hat und in Koproduktion mit dem Ensemble Modern, dem IRCAM Paris und dem Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique entwickelt hat. Die Basis des Projekts ist die App „Lullaby Experience“, damit kann jeder seine Melodie mit dem Smartphone aufnehmen und über die App abschicken, die vom IRCAM entwickelt wurde.

Dusapins These und die seiner Mitstreiter lautet, dass jeder ein Lied oder eine Melodie in sich trägt, die seine Kindheit definiert. Kommuniziert wurde das Projekt weltweit über die Goethe-Institute und der Rücklauf war enorm: Nicht weniger als 600 Einsendungen von selbst aufgenommenen Liedern sind zusammengekommen und es wird weiter gesammelt. Die Aufnahmen werden von Pascal Dusapin dann eingespeist, transformiert und zusammengesetzt.

Doch damit nicht genug. Nach 30 Minuten kommt ein reflektierender Live-Act hinzu: Zu den 64 Lautsprechern gesellen sich zwölf Musiker des Ensemble Modern, um für etwa 45 Minuten mit der Klanginstallation live improvisierend als Reflex und Kommentar (in einem festgelegten Rahmen freilich) zu interagieren. Die Musiker sind zusätzlich verkabelt, so dass die Live-Klänge teils durch die Lautsprecher geschickt und verfremdet werden.

Die Szenerie, in der die weitgehend stummen Figuren von Regisseur Claus Guth dezent, aber stets mit expressiver Überhöhung inszeniert sind, erschließt sich aus der Logik kindlicher Träume mittels ihrer zwar klischee-las­tigen, aber doch atmosphärisch dichten Bilder. Eine Handlung im eigentlichen Sinne ist nicht auszumachen, aber das wäre angesichts der die Zeitlichkeit außer Kraft setzenden Klänge auch widersinnig.

Pascal Dusapins Werk gilt als eigenwillig und so recht keiner der gültigen „Schulen“ zuzuordnen, er ist der große Außenseiter der französischen Gegenwarts-Komponisten. Sein impressionistisches Kolorit erinnert zuweilen irritierend an seinen Landsmann Claude Debussy, aber Dusapins Zeitmaß ist ungleich gedehnter. Und immer wieder zelebriert er das Kommen der Klänge aus dem Nichts und ihr Verschweben wieder ins Nichts. So auch hier.

Fazit: Eine musikalisch suggestive Klanginstallation mit einer gewissen Restsüße, deren Inszenierung sich zwar manchmal gefährlich dem Kitsch nähert, sich aber doch kongenial zur Klangspur verhält.

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