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 Der „Konsul“ in Freiberg-Döbeln. Foto: Jörg Metzner.
Der „Konsul“ in Freiberg-Döbeln. Foto: Jörg Metzner.
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Imponierende Farblosigkeit: Menottis „Der Konsul“ in Freiberg und Döbeln

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„Puccini hat mehr meine dramatische Technik als meinen musikalischen Stil beeinflusst.“ schrieb Gian Carlo Menotti selbst und ist deshalb nicht ganz unschuldig daran, dass seine 1950 in Philadelphia uraufgeführte Oper „The Consul“ in den Kategorien ‚musikalischer Fortschritt‘ und ‚progressive Dramaturgie‘ keine allzu guten Zensuren erhielt. Auch den Serienerfolg am Broadway mit 269 Vorstellungen hat man ihm verübelt. Heute gilt „Der Konsul“, der eine unmenschlich wuchernde Bürokratie geißelt, als Rarität. Am Mittelsächsischen Theater Döbeln-Freiberg ist er jetzt in einer packenden Aufführung zu erleben.

Am mittelsächsischen Theater bestätigt sich nach Produktionen des „Konsul“ an den Theatern Hof und Neustrelitz die auch mit André Previns „Endstation Sehnsucht“ an den Landesbühnen Radebeul gemachte Erfahrung: Philharmonischer Glanz und akustische Wundersäle sind Gift für das Ausdruckspotenzial von Partituren, in denen puccineskes Melos, bernsteinhafter Drive und nonchalant zur Schau gestelltes kompositorisches Handwerk zum eine Spur zu reißerischen Mix geraten könnten. Doch im kleinen Graben des Theaters Freiberg wird das Klavier zum führenden Instrument und dominiert die süffig aufrauschenden Streicherchöre. Gerade deshalb sind kleine Häuser ein besserer Aufführungsort für Menotti: Hier wirken Pausen im Orchestersatz nicht kalkuliert, sondern schroff. Kapellmeister Juheon Han lässt den Stimmen die Führung und holt deshalb existenzielle Energie aus dem Weichspülsound. Dadurch werden die Harmonien nicht wohlig, sondern intensiv. Eine ideale Klangkulisse also für das Drama über eine ohne rettendes Visum zu Grunde gehende Familie, das zermürbend bleierne Warten in undurchdringlichen Ämtern und den Tod im psychischen Verschleiß durch Trennung und permanente Angst. Das Mittelsächsische Theater hat dafür ausdrucksstarke Sänger, die im Melos an keiner Stelle vergessen lassen, worum es geht. Das Risiko sentimentaler Veräußerlichung ist hoch, wird aber in Freiberg souverän gebannt.

Die Atmosphäre eines Spionagefilms: Man sieht, dass sich die Zeiten seit der Entstehung von Menottis Oper in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und der sich damals abzeichnenden Zerklüftung der Welt durch Ost- und West-Konflikte etwas gewandelt haben. Tilo Staudtes Einheitsbühnenbild mit den riesigen Aktenregalen atmet den grauen Mief von Ämtern des 20. Jahrhunderts. Charaktere verlöschen in dieser Tristesse und das nicht erst, nachdem Magdas und Johns halbwüchsiger Sohn (Jesper Zimmermann) fast unbemerkt stirbt und auch die Mutter des widerständigen Flüchtlings John, von Menotti dramaturgisch intelligent entwickelt, ohne bemerkenswertes Solo in den Tod flieht. Karin Goltz ist für diese Partie eine gerade durch emotionale Mäßigung packende Interpretin. Sie und Sergio Raonic Lukovic als latent brutaler Agent der Geheimpolizei tragen sich schleichend ausbreitendes Unbehagen in die Szene. Zuerst vermisst man emotionale Schärfe und jene aufbäumende Energie, mit der Menotti die Gesangsparts bedacht hat. Später wird es zum immer mehr bezwingenden Reizmittel, wie die von Juheon Han und dem starken Sängerensemble suggerierte Lähmung auf Menottis ariose Stimmführung drückt. Farblosigkeit und Bitternis als künstlerische Absicht.

Menottis Oper enthält mehrere äußerst wirksame Partien. Leonora Weiß-del Rio ist eine Idealbesetzung für die zentrale Partie der Magda. Ausladende Gesten gestatten der Regisseur Ralf-Peter Schulze und sie sich selbst nur in jener großen Szene, wenn sie in Verzweiflung über die Unnahbarkeit des nur ein einziges Mal kurz erscheinenden Konsuls fast Amok läuft. In ganz feinen Abstufungen verwelkt Magda und wird im Aufruhr der Emotionen immer nachlässiger zu sich selbst. Der seinen lyrischen Bariton in vokal nicht ungefährliche Forte-Attacken treibende Andrii Chakov als John ist der treibende Widerstand gegen die immer mehr ausufernde Lethargie.

Als einzige erhält in Menottis Oper die Ärztin Verena Boronel (Pauline Weiche) das ersehnte Visum. Sonst warten alle vergeblich im aschfahlen Tempel der Bürokratie. Es sind dort Wurzeln schlagende Künstler, die von Menotti jeweils einen größeren feinen Auftritt erhielten: Der Schauspieler Mr. Kofner (Peter Fabig), die Italienerin (Rea Alaburič), Anna Gomez (Lisa Schnejdar) und der Hypnotiseur Nika Magadoff (Johannes Pietzonka). Dieses Ensemble verweigert sich Menottis Aufforderungen zu solistischen Kabinettstückchen.

Die schwierigste Rolle ist aber die Sekretärin: Dimitra Kalaitzi-Tilikidou lässt durchblicken, dass diese Fachkraft bereits mehrere Weiterbildungen erfolgreich absolviert hat. Diese Frau würde, selbst wenn sie ihre Klienten für Dreck halten würde, das nie verlautbaren. Zwischen Strenge, Amtston und lockerem Gruß ist sie eine Ikone der korrekten Floskeln.

Anforderungsprofil und persönliche Identität scheinen in perfekter Übereinstimmung. Im schäbigen Ambiente gipfelt Menottis Anklage. Magda setzt sich vor den voll aufgedrehten Gasherd und macht sich ins Jenseits davon. Am Ende muss laut Partitur das Telefon noch klingeln, wenn das Orchester bereits eisern schweigt. Bis dahin reißt die schmerzende Spannung der beeindruckenden Produktion nicht ab. Ein packender Theaterabend.

  • Termine: 16.02./19:30 (Freiberg), 24.02./19:00 (Freiberg), 09.03./19:30 (Döbeln), 19.03./19:30 (Freiberg), 31.03./14:30 (Döbeln), 20.04./19:30 (Freiberg), 16.05./19:30 (Freiberg)

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