„DRZK.wähuh°“ bedeutet nichts oder die absolute Wahrheit. Das ist einfach oder kompliziert. Über so einen Titel muss man nicht nachdenken, über die Rolle der Improvisation im genormten Leben schon. Es gibt einen deutschlandweit eingetragenen Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, „alle Belange der Improvisation zu fördern und zu unterstützen“. Gut so, und wer dabei nur an die Künste denkt, denkt zu kurz. Es geht ums Leben, es geht ums Ganze – und um die Rolle des Zufalls dabei. Um alles, was sich nicht planen lässt also. Um das, was uns noch aufstören kann, falls wir die Antennen haben, das Unverhoffte zu empfangen.
Der Verein hat eine Zweigstelle in Sachsen, die sich jüngst in einer Leipziger November-Sonntagnacht in der knackevollen naTo als Bastion gegen das Diktat standardisierter Abläufe präsentiert hat. Knapp 20 Akteure waren gar nicht zufällig mobilisiert und inszenierten unter der Federführung des agilen Leipziger Statthalters Oliver Schwerdt ein Projekt aus Klängen, Bewegungen, Farben, Worten und Bildern. Diese Musik des Zufalls dominierte ein Nummernprogramm der vereinseigenen Kapelle EUPHORIUM_- freakestra, junge Leute allesamt, die zwischen Jazz und Rock die Töne setzten, wobei ihnen der Spaß ins Gesicht geschrieben stand. Ihren schrillen Reigen haben sie durch die Integration zweier Altvorderer der improvisierten deutschen Musik geadelt: Günter ‘Baby’ Sommer und Friedrich Schenker. Sommer, die Dresdner Schlagzeuglegende, der leibhaftige Blechtrommler, hat die konventionelle Rolle seines Instruments seit Jahrzehnten hinter sich gelassen hat, um Grenzen einzureißen mit einem Spiel, das Rhythmus in jedem Wortsinne verkörpert. Schenker, Meisterschüler Paul Dessaus, ist Motor zeitgenössischer Musik und also ebenfalls Initiator des konzeptionell Abweichenden, wobei er als studierter Posaunist stets den improvisierenden Virtuosen mitdenkt. Zwei Mentoren seit gut 30 Jahren, zwei die dem Leipziger Projekt Kontur gaben.
Die Bühne war zu klein fürs Happening der Akteure, Instrumente und Dinge. An ihrem Rand mischten sich Komparsen und Publikum. Ein laufender Fernseher, ein Tourist mit Bierbüchse und Lutscher, eine Schöne presst Orangensaft und verabreicht ihn. Viel ist los auf den 13 Stationen dieser Klassenfahrt mit Dozenten. Ganz am Schluss trötet der nackte Saxophonist aus dem Kinderplanschbecken, wozu es von oben „It don’t mean a thing“ schrammelt. Das Publikum verläuft sich, bis alles gegangen ist, nach gut zwei Stunden.