Das von Menschen auf diesem Planeten organisierte Zusammenleben entwickelt sich in politisch strukturierte Gesellschaften auf der Suche nach Macht und Einfluss und Territorium. Und lässt sich historisch-wissenschaftlich wie märchenhaft-zauberhaft dokumentieren. Dass in der Tat nicht nur die Grimm‘schen sondern auch die arabischen Märchen aus Tausendundeinernacht nicht nur bezaubernde Konstellationen imaginieren, erweist ein Blick hinter deren Kulissen. Die politische Realität dieser Tage dokumentiert ein Übriges.
Trotz alledem ist es immer wieder im wahrsten Sinn des Wortes wunderbar, eine visionäre Exkursion in deren Landschaften zu starten. Die Versicherungskammer Kulturstiftung lud jetzt zu einem die Kulturen vernetzenden Abend ein. Ohne Megaluxushotelschiff mit 4000 Passagieren und ohne Riesenflieger mit tausend eng gequetschten Sitzen startete die Reise in deren Foyer in München-Giesing, umspielt von qualitativ hoch angesiedelter zeitgenössischer Gegenwartskunst an Wänden, in Räumen, im Umfeld.
Es ging um die Aufführung einer Ikone aus der Frühzeit bewegter Bilder, die damals noch mit Live-Musik garniert wurden. Das ist heute wieder ein Hit – zwischen Alpensinfonie und Sonnenuntergang samt Risesensinfonieorchester. In den Riesenphilharmonien. Aktuell handelt es sich um den deutschen Scherenschnitt-Silhouetten-Animationsfilm von Lotte Reininger mit dem verlockenden Titel „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“, der am 2. Mai 1926 in der Berliner Volksbühne am Bülowplatz uraufgeführt wurde, nach drei Jahren handwerklich bewundernswerter Fein-Arbeit. Immerhin handelt es sich um den ältesten erhaltenen Film der Gattung animierter Langfilm. Der erwacht nicht durch Zeichnungen zum Leben. Vielmehr handelt es sich dabei um das Stop-Motion-Verfahren, mit dessen Hilfe flache Puppen aus einzeln ausgeschnittenen Pappteilen samt einer speziellen Draht-Technik animiert wurden. Dieses feingliedrige Wunderwerk besteht aus sagenhaften circa 96.000 Einzelbildern, die bei einer Abspielgeschwindigkeit von 24 Bildern pro Sekunde eine Spieldauer von rund 65 Minuten ergibt.
Und klar geht es bei dieser Verzauberungsorgie um Prinzen und Prinzessinnen, um afrikanische Zauberer, chinesische Kaiser, um Aladin mit seiner Wunderlampe, um gute und böse Geister, um Mord und Totschlag. Und schließlich landen die zwei Paare, die sich im Lauf der Handlung zueinandergefügt hatten mit dem eigenhändig entführten Palast wieder in der Kalifenstadt, wo sie vom Kalifen freudig empfangen werden. Gewiss nicht grade das Drehbuch zur Lösung der politischen Probleme im Mittleren Osten zwischen Schweröl und Atombomben. Doch eine irisierende Verzauberung allemal – mit einer neuen Musik aus dieser heutigen Zeit, geschrieben von dem seinerseits zauberhaften Kontrabassisten und Komponisten Renaud Garcia-Fons – manch einer hält ihn für den Paganini des Kontrabasses. Er lässt sich inspirieren von Flamenco und mitreißender orientalischer Melodik. Seinem Ensemble hat er komplizierte Rhythmen und indisches Kolorit eingeschrieben. Einfach wunderbar. Die hochkarätigen Musiker agieren ebenso virtuos und begeisternd wie der Meister am Kontrabass. Iranische Laute sowie Tabla kommunizieren da miteinander, indische Flöte und Marimba, Akkordeon und immer wieder Kontrabass – als Fundament aller Musik gewissermaßen. Ein gleichermaßen wahrhaft bezaubernder wie echt verzaubernder Abend. Mit reichlich Aufklärungspotential.