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Screenshot aus dem Trailer.
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Jesus als Countertenor: Bachs Johannespassion in der Elisabethkirche Berlin

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in der Elisabethkirche Berlin gab es vier Vorstellungen von Johann Sebastian Bachs Johannespassion, nachdem die Thüringer Bachwochen 2022 im Theater Erfurt mit dieser Produktion der lautten compagney BERLIN und der SingFest Choral Academy Hong Kong eröffnet wurden. „Wahrheit! Bachs Johannespassion als Schauprozess“ setzt die Begebenheiten vor Jesu Hinrichtung mit bewegenden Bildern in den Altarraum. Man erlebte in der Karwoche eine geerdete und sehr subjektive Sicht um die mit dem Countertenor Reginald Mobley besetzte Zentralgestalt des Messias.

Die lautten compagney Berlin zeigt in wechselnden Konstellationen große Affinität zum Theater. Ihr Dirigent Wolfgang Katschner ist ein gesuchter Experte für barocknahe Opern in ambitionierten Sichtweisen wie für historisch rekonstruierte Aufführungen. Bachs Weißenfelser Jagdkantate als galantes Spiel auf einer langen Tafel wurde beim Bachfest Leipzig verdientermaßen zum Triumph. Umso mehr erstaunt, das die akribisch und intuitiv arbeitende lautten compagney Berlin die eigentliche Sensation dieser Produktion – aus welchen Gründen auch immer – kaum erwähnte. Die beiden vollständig erhaltenen Passionen des Thomaskantors Bach sind längst auch Repertoirestücke der Theater, vom Hamburg Ballett John Neumeier bis zu Benedikt von Peters Matthäuspassion am Theater Basel.

Im Zentrum des szenischen Schauprozesses dieser freien Produktion steht nicht der Richter Pilatus (Florian Götz) im scharlachroten Mantel und auch nicht die Gruppierungen der Capella Angelica mit dem SingFest Hong Kong, obwohl die Passion des Welterlösers hier neben dem Angeklagten die Kollektive betrifft. Auch nicht die die lautten compagney Berlin, aus der immer wieder Spielende vom hinteren Altarraum nach vorne treten und sich wie Wolfgang Katschner in die dramatischen Aktionen mischen. Der erdige, stellenweise gefurchte und dann wieder balsamische Gesamtklang wird zum schier endlosen Schleier echter Melancholie, lichtet sich nicht einmal in den wenigen tröstlichen Arien.

Die Partie des Jesus, sonst gern als saisonale Legato-Etüde für Bassbariton zelebriert, in einer Besetzung mit dem Countertenor Reginald Mobley – geht das? Darf man das überhaupt? Die Frage rührt an den Kern prototypischer bzw. spezifischer historischer Auslegungspraxis. Dramaturgisch tut die Stimmlage hier wenig nichts zur Sache. Bei szenischen Aufführungen wie dieser merkt man allerdings mehr als in Konzerten, dass der Angeklagte Jesus die Stationen von der Gefangennahme bis zur Kreuzigung fast stumm durchleidet. Die Regisseure Patrick Chiu, Ivanhoe Lam und Wei-Wei Lim machen ihn während des Prozesses von einem autonomen Charakter zunehmend zu einer exponierten Figur in der Menge. Dominc Lam akzentuierte mit den Chorensembles weniger ein spirituelles Sakralspiel als ein strenges realistisches Drama, mehr packend als schön. Diese Passion ist demzufolge nicht das Leidensbild eines Einzelnen, sondern des mit synchronen Bewegungen und starken Einzeltemperamenten präsenten Kollektivs. Während Bach in Leipzig in den verschiedenen Fassungen der Johannespassion nach 1724 die Jesus-Partien für Bass setzte, dachte Zelenka in „Gesù al Calvario“ ZWV 62 im hundert Kilometer entfernten Dresden die Heiland-Worte in hoher, sogar virtuoser Sopran-Lage. Insofern ist dieser radikale Wandel des Partiencharakters legitim, der im symbolischen Verständnishorizont des Barock durch die hohe Tessitura sogar einen heroisch-kämpferischen Zug bekommt. Reginald Mobley, der auch die Alt-Arien übernahm, spielt das Heroen-Potenzial seiner Stimmlage eher vokal als gestisch aus. Eindeutig bezieht sich diese Sichtweise der Johannespassion auf gegenwartsbezogene Adaptionen, die das Exempel- und Trost-Angebot des Evangeliums ohne Elitedenken für Alle einfordern, ohne geographische und mentale Barrieren.

Stark daneben der Evangelist von Christian Pohlers. Vielleicht hätte die stellenweise sogar aggressive Lesart sogar noch eine Nuance nachdrücklicher geraten können. In Pohlers‘ Phrasierungen schwingt etwas von der Strenge und Radikalität der alttestamentarischen Propheten, was sehr gut zur instrumentalen Dunkelheit passt. In dem Tänzer Janosch Horn hat der Evangelist ein überaus agiles Alter Ego, das für viele Deutungsangebote vom Engel der Geschichte bis zur menschlichen Seele offen ist. Mit Maria Ladurner wurde eine Sopranistin gewonnen, die – in Bachs Kantaten und Oratorien selten – weitaus mehr als glashelles Fluidum zu bieten hat. Ladurner singt Bach stilistisch beeindruckend und mit Mozart-hafter Empathie. Einfach schön. Benommenheit und Rührung der voll besetzten Reihen hielten nach dem Verlöschen des Lichts und Abgang der Mitwirkenden noch lange an.

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