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Jüdische Identitäten

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Vorbericht: Zum „Forum neuer Musik“ des Deutschlandfunk vom 7. bis 10. April 2016
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Seit dem Frühjahr 2000 veranstaltet der Deutschlandfunk in Köln das internationale Werkstattfestival „Forum neuer Musik“. Es verbindet zeitgenössisches Komponieren mit neuem kulturwissenschaftlichen Denken und widmet sich gezielt gesellschaftlich relevanten Themen. Kompositionsaufträge werden vergeben, Musikhochschulen sind regelmäßig im Boot. Und es gibt namhafte Förderer. nmz-Chefredakteur Andreas Kolb sprach mit DLF-Redakteur Frank Kämpfer, der das Forum zum 15. Mal kuratiert.

neue musikzeitung: Gibt es im April 2016 eine Jubiläumsausgabe?

Frank Kämpfer: In diesem Jahr erlauben wir uns besondere Herausforderungen – thematisch wie aufführungspraktisch. Und wir vergrößern das Angebot noch einmal.

nmz: Das ‚Judentum in der Musik‘ – zweifellos ein Konfliktstoff! Was reizt Sie daran?

Kämpfer: Thematisch auf eine neue Entdeckungsreise gehen zu können – und zwar gleichzeitig in verschiedene politische Epochen und Geographien: Bukarest, Berlin, Tel Aviv und New York. 1830, die 1930er, die Gegenwart. Wir fragen nach jüdischen Frauen und spannen einen historischen Bogen von Fanny Mendelssohn bis zu Chaya Czernowin, von der Zeit der jüdischen Emanzipation bis zur künstlerischen Bewältigung von Auschwitz in der Ära der Globalität.

nmz: Fürchten Sie nicht, auf ein politisches Minenfeld zu geraten?

Kämpfer: Wir forschen nach Musiker/-innen, die im Zuge der Shoah vertrieben und vergessen worden sind. Wir fragen – im Projekt MEKOMOT beispielsweise – nach heutigem jüdischen Leben. Und nach dem Selbstverständnis der heute jungen Generation. Typische Forums-Fragen! Natürlich erhoffe ich mir viel Disput, wir sind doch der Deutschlandfunk! Aber wir verhandeln doch nicht im Nahostkonflikt!

nmz: Jüdische Identitäten ... in heutigem Komponieren. Der Plural Identitäten deutet an, dass es die eine jüdische Neue Musik nicht gibt? Welchen Identitäten sind Sie auf der Spur?

Kämpfer: Den Identitäten des diasporischen Lebens gewissermaßen. Alltagskulturellen Melangen also, wie sie sich aus dem Zusammenleben von Menschen verschiedener  ethnischer, kultureller wie religiöser Herkunft ergeben. Ganz klar, dass es nicht eine jüdische Musik geben kann, so wenig, wie nur eine amerikanische oder eine koreanische. Die Pluralität ist ja das Spannende, nicht die Gleichschaltung. Für Aschkenasim, Sephardim und Mizrakim ist das eine Jahrtausenderfahrung: Im Dialog mit anderen zu überleben und sich selbst zu bewahren.

nmz: Was folgt daraus?

Kämpfer: In der globalen Welt sind wir alle vor diese Fragen gestellt: Dass wir zusammenleben müssen mit anderen, die ganz anders sind als wir selbst. Ich frage mich, ob das Judentum im Zuge seiner diasporischen Erfahrung vielleicht spezifische Botschaften für alle anderen hat. Im Konzertprojekt „Lebenswege“ der Kölner Musikhochschule geht es speziell um diesen Aspekt.

nmz: Die Kölner Musikhochschule als auch die Jesuitenkirche Sankt Peter sind Ihre Partner seit Jahren. Wo sehen Sie Sinn und Ertrag solcher Kooperation?

Kämpfer: Wunderbar, dass es diese zwei sehr flexiblen Klangkörper gibt: Die Orgel für Neue Musik in Sankt Peter, von Dominik Susteck gespielt, und das ensemble 20/21 mit David Smeyers am Pult. Beide liefern thematisch wie künstlerisch substanzielle Beiträge. In dieser Dreiheit verbinden wir Medien, Kirche und Bildungseinrichtung und sind ein Festival in der Stadt.

nmz: Was erwartet uns 2016 an Vorträgen und Diskussionen?

Kämpfer: Enge Verflechtungen von Wort, Bild und Musik ergänzen sich zu einem komplexeren Angebot an Erlebnis und Bildung. Vita, Werk und Korrespondenz von Brigitte Schiffer und Edith Gerson-Kiwi beispielsweise werden auf eine solche Weise erhellt. Oder die Suche nach jüdischen Spuren in Bukarest!

nmz: Was ist die besondere Herausforderung?

Kämpfer: Der Abschlussabend mit zwei neuen Werken von Chaya Czernowin. Die Vorarbeiten laufen seit gut einem Jahr – eine ganz eigene elektroakustische Klangwelt wird dafür gebaut, mit Hilfe von Kollegen vom IRCAM.  Wenn ich übrigens zurückdenke, wie ich im März 2002 mit Luigi Nonos „Quando stanno morendo“ begann und was wir bis zu Chaya Czernowins „Hidden“ jetzt mit dem Forum in 15 Jahren geleistet haben, dann sehe ich das Bild einer Erdumrundung vor mir.

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