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Das Mandelring-Quartett. Foto: Uwe Arens
Das Mandelring-Quartett. Foto: Uwe Arens
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Kammermusik am Weinberg – Das Festival des Mandelring Quartetts in Hambach

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Die Heimatliebe erkennt man am Namen. Die Geschwister Nanette, Bernhard und Sebastian Schmidt benannten ihr Ensemble nach der Straße des Elternhauses: dem Mandelring, der sich bei Neustadt in die Weinterrassen am Hang des Pfälzerwaldes schmiegt. Die Schmidt-Geschwister wuchsen in einem ehemaligen Weingut auf, einem rustikalen Gemäuer, in dem sich bis heute ihr Probenraum befindet.

Inzwischen hat das Mandelring Quartett renommierte Preise gewonnen und gastiert in ganz Europa; unter anderem mit einer eigenen Reihe in der Berliner Philharmonie. Zugleich ist das Ensemble seiner ländlichen Herkunft treu geblieben: Vor 20 Jahren gründete es in der Nachbarschaft, im Weindorf Hambach, ein eigenes Kammermusikfestival.

Alljährlich übers Fronleichnam-Wochenende lädt das Mandelring Quartett ein paar befreundete Kollegen zum gemeinsamen Musizieren ein. Diesmal kamen unter anderem die Klarinettistin Laura Ruiz Ferreres und der Hornist Ab Koster, die sich als überaus vielseitige Kammermusiker erwiesen. Im Alleingang spielte das Mandelring Quartett während des gesamten Festivals gerade mal ein Stück, Haydns Lerchenquartett.

Markenzeichen des Ensembles ist die perfekte Übereinstimmung. Subtilste Nuancen in Artikulation, Dynamik und Vibrato vollführen die Musiker absolut synchron. Dabei gehen sie einen goldenen Mittelweg: Weder musizieren sie als unbeseelte Präzisionsmaschine; noch ziehen sie sich auf naive Spielfreude zurück.

Andreas Willwohl, der neue Bratscher des Mandelring Quartetts, hat sich in diese Klangkultur bestens integriert. Der langjährige Solobratscher des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters hat im Herbst das Gründungsmitglied Roland Glassl abgelöst, den Jugendfreund der Schmidt-Geschwister. Glassl ist aber wieder mit von der Partie, wenn demnächst die Streichquintette und -sextette von Brahms eingespielt werden.

Leitzentrale des Hambacher Musikfests ist das Schmidtsche Elternhaus am Mandelring. Hier finden die Proben statt; unterbrochen hausgemachten Mahlzeiten. Der Vater der Schmidt-Geschwister, einst Musiklehrer, dient dem Festival als Organisator, Fahrer und technischer Leiter. Allabendlich begrüßt er die Besucher mit selbstgereimten Anti-Klingelton-Versen von der Art: „Kein Künstler eine Frau anhimmelt, wenn im Konzert das Handy bimmelt.“ Das hat bereits Kultcharakter beim Publikum, das zum großen Teil aus dem riesigen Förderkreis besteht.

Die Musiker muten sich und den Besuchern eine Menge zu. Zum Beispiel ein Eröffnungskonzert ganz ohne „Kassenschlager“, sondern mit Raritäten von Franck und Schreker sowie einem Oktett des Beethoven-Biografen Ferdinand Ries, dessen gelegentlicher ornamentaler Leerlauf durch die aparte Besetzung wettgemacht wird. Streicher und Holzbläser werfen sich hier die Bälle zu und umgarnen das virtuose Klavier, das von Lauma Skride gespielt wurde. Die lettische Pianistin wechselte einfühlsam die verschiedenen Rollen zwischen solistischer Bravour und unprätentiöser Begleitung.

Die Mehrzahl der Konzerte geht im Hambacher Schloss über die Bühne, das sich wegen der hiesigen bürgerlichen Protestaktion im Jahre 1832 als „Wiege der Demokratie“ präsentiert. Auf einem Bergvorsprung des Pfälzerwaldes gelegen, bietet es weite Blicke in die Rheinebene.

In der recht trockenen Akustik des Schloss-Saales gastierte das junge Frankfurter Aris Quartett, das gerade den Weimarer Joseph Joachim Kammermusikwettbewerb gewonnen hat. Den melancholischen Schmelz von Schuberts allzu rasch genommenem c-Moll-Quartettsatz brachte es zwar nicht zur Geltung. Der scharfe, energiegeladene, deutlich die Einzelstimmen konturierende Klang des Aris Quartetts machte jedoch Hindemiths Streichquartett Nr. 2 zum Erlebnis.

Vor dem barocken Altar der Hambacher Kirche erklang eine eindringliche Interpretation des „Quatuor pour la fin du temps“, das Olivier Messiaen 1940 als Kriegsgefangener schrieb – mit fahl auf der Stelle tretenden Passagen und Ausbrüchen halluzinatorischer Hoffnung.

Anschließend rollten ein Dutzend Freiwillige aus dem Publikum den Konzertflügel durch die Kirche, Treppenstufen hinab über den Pfarrhof bis auf die Straße. Dieses jährliche Ritual wird sodann im Weinkeller gefeiert, wo der ortsansässige Männerkochclub seine Kreationen auftischt.

Einige Konzerte finden auf den Hambacher Weingütern statt. So hörte man in einer Kelterhalle unter Regenprasseln ein entzückend schlichtes, melodienseliges Fagottquartett des Mozart-Zeitgenossen Carl Stamitz. Hier erfreute man sich an dem makellosen, warm-geschmeidigen Spiel des ungarischen Fagottisten Bence Bogányi, der als Solo-Fagottist bei den Münchener Philharmonikern engagiert ist.

Beim Abschlusskonzert erklang Janaceks „Concertino“, in dem – trotz leichter Intonationsschwächen – der scharfzüngige, rhythmisch aggressive Charakter schön zur Geltung kam. Ebenso stilsicher fanden Lauma Skride und das Mandelring Quartett in den polyphon verwunschenen Tonfall von Ernö Dohnányis zweitem Klavierquintett.

Das originelle Repertoire und die Qualität der Aufführungen machen das Hambacher Musikfest zu einer der ersten Adressen in Sachen Kammermusik.

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