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„Blue and Gray“ für zwei Kontrabässe von Rebecca Saunders. Foto: Lucerne Festival/Georg Anderthub
„Blue and Gray“ für zwei Kontrabässe von Rebecca Saunders. Foto: Lucerne Festival/Georg Anderthub
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Kammermusik an der Lucerne Festival Academy

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Die Lucerne Festival Academy, 2004 vom Intendanten Michael Haeflinger und Pierre Boulez gegründet, bewährt sich als führendes Zentrum für das Training junger Musiker in zeitgenössischer Musik über Workshops, moderierte Ateliers und Aufführungen in einem breiten Spektrum der Repertoire. „Composers-in-Residence“ Sofia Gubaidulina und Philippe Manoury wirkten auch aktiv diesen Sommer in einer aufschlussreichen Atmosphäre, die aber kaum denkbar wäre ohne das Hinzutreten von Boulez Anfang September nach einer Augenoperation. Zwischen Proben und Dirigenten-Meisterkursen präsentierten ausgewählte Musiker der Akademie eine Reihe von Kammermusikkonzerten im Luzerner Saal des KKLs, die sich von Bartok bis Carter erstreckten. Besonders prominent waren Duos mit ungewöhnlicher Instrumentation, ob für zwei Violinen oder Trompete und Kontrabass.

Lust-Ich 2 für Harfen (1986; rev.2012) von José Luis Campana, selbst präsent in der ersten Reihe, entfaltete sich in immer mehr unerwarteten Klangwelten. Nach Gitarre-artigem Zupfen gingen die Interpretinnen daran, mit Xylophon-Schlegeln zu beschlagen, mit einer Metall-Bürste zu bestreichen und zuletzt mit einer Metall-stange zwischen die Seiten zu führen. Der abschließend welkende Nachhall erinnerte an die Harfe in Gubaidulinas Trio Garten von Freuden und Traurigkeiten (1980; rev.1993), in welchem die blumigen Melodien der Flöte sich gegen die klagende Bratsche wehrt während die Harfe ihrer Lust nach Freude auch nicht nachgeben kann. Zum Schluss kündigte die Flötistin an: „Wann ist es wirklich, was ist das wahre Ende…Alles, das ist künstlich. Morgen spielen wir ein anderes Spiel.“ Auch Gubaidulina saß bescheiden unter dem Publikum und begrüßte die Musiker. 

Genauso dramatisch wirke Tristan Murails Les ruines circulaires (2006) als die kreisende Selbstreflexion der Geige dem fast dämonischen Winken der Klarinette entkam bis sie in ein enttäuschtes Pizzicato gerat. „Doch der Träumer entdeckt, dass er selbst in Wirklichkeit auch nur das Ergebnis des Traums eines anderen ist“, schrieb der Komponist zu seiner Art Parabel. Rasch für Violine und Viola (2001) von Georges Aperghis stellte einen wettbewerbsfreudigen Dialog dar, welcher mit dem richtigen Ansatz von Humor in einen athletischen Einklang wuchs. Auch die Musiker in Manourys Michigan Trio (1992) für Klarinette, Violine und Klavier beeindruckten mit nahtloser, viszeraler Kommunikation bei breit sprunghaften Melodien bis quietschenden Tremoli, eine breite Palette von Timbres und Figuren, vom Komponisten eindrücklich emotional umgesetzt. 

In Michael Jarrells Assonance III (1989) für Bassklarinette, Violoncello, und Klavier, Teil einer laufenden Kammerserie, verhält sich jedes Instrument als würde es nur fliehen wollen. Explosive, skizzenhafte bis pointilistischen Melodien tauchen gegen grollende harmonische Oberschwingungen auf während das Klavier quasi-impressionistisch im letzten Satz wirkt. Die klare rhythmische Artikulation, die Boulez bei Proben betont, lässt sich durch den Abend erkennen, wobei die Claves in Birtwhistles Pulse Sampler (1981) bewusst als verkehrte Metronome gegen die Oboe eingesetzt werden. Durchaus elegant ertönte Carters Eight Etudes and a Fantasy für Flöte, Oboe, Klarinette und Fagott (1949) mit einer neo-klassischen Strenge, die trotzdem eine subjektive, höchstmoderne Expressivität zulässt. 

 

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