Die Konstellation ist eigentlich altbekannt: ein willensschwacher Ehemann, der unter der Fuchtel eines „Schwiegermonsters“ steht. Eine Schwiegertochter, die nie gut genug ist. Und eine Liebesgeschichte, die tragisch endet. Gespielt wird das auf einer konventionellen Guckkastenbühne, die sich den ganzen Abend nur in Details verändert. Die allerdings sind entscheidend und unter anderem ein Grund dafür, dass Leoš Janačeks Oper Katja Kabanova im Theater Duisburg zu einem packenden Drama wird.
In Szene gesetzt hat es – als Koproduktion mit dem Grand Théâtre de Genève - Tatjana Gürbaca, die die Geschichte um Liebe, Treue und Tod zu einem fesselnden Psychodrama verdichtet, dessen Intensität sich im Laufe des pausenlosen eindreiviertelstündigen Abends immer weiter verdichtet.
Und dieses Psychodrama gipfelt wie es wohl gipfeln muss: in einer Katastrophe. Katja, die Titelheldin, geht in den Fluss, ihr Liebhaber endet in Sibirien und dem gehörnten Ehemann bleibt nur seine Mutter. Das schildert Gürbaca als intensiv gespieltes Familiendrama auf einer von Henrik Ahr gestalteten Bühne. Die ist ein perspektivisch gebauter Guckkasten, der an den beiden Seiten und der Rückseite geöffnet oder mit Projektionen verändert werden kann. Am Anfang sieht man hier einen breiten Fluss, am Ende bleibt nur ein schwarzes Nichts.
Mal öffnet sich der Bühnenraum durch das Hochfahren einiger Seitenteile, mal wird er zur klaustrophobischen Erfahrung, wenn sich (fast) alle Darsteller vor einem Unwetter Schutz suchend im hintersten Zipfel eng zusammendrängen. Das Unwetter ist im Übrigen durchaus real mit Regenschauern vom oberen Bühnenrand nachgestellt, was dem ein oder anderen Vorstellungsbesucher durchaus einige Schweißperlen auf die Stirn treiben könnte. Schließlich hat man in Duisburg schon wiederholt mit unfreiwilligem Regen aus der Sprinkleranlage Erfahrungen gemacht.
Gespielt wird das Drama vom Duisburger Ensemble mit berückender Intensität, allen voran von Sylvia Hamvasi als Katja. Sie verkörpert den Spagat zwischen gesellschaftlicher Konvention und persönlicher Situation mit großen Nachdruck und weiß mit dramatischem Gestus und vokaler Fülle auch stimmlich zu überzeugen. Eva Urbanova als Schwiegermonster Marfa, Matthias Klink als Ehemann Tichon und Anna Herzog als Pflegeschwester Varvara stehen ihr in nichts nach. Daniel Frank als leidenschaftlicher Liebhaber Boris und Sami Luttinen als dessen polternder Onkel Sawjol ergänzen zusammen mit Cornel Frey (Kudrjasch), Roman Hoza (Kuligin), Ekaterina Aleksandrova (Glascha) und Luiza Bardan (Fekluscha) die ausgezeichnete Besetzung.
Der im Übrigen unsichtbar bleibende Chor (Einstudierung: Gerhard Michalski) singt famos, die Duisburger Philharmoniker spielen unter Axel Kobers Leitung sehr solide, zeigen nur kleinen Schwächen. Wie das Ensemble sind sie immer am Puls von Janačeks dramaturgisch detaillierter Musik, die das Geschehen ebenso wie Gürbacas Regie stetig verdichtet. Am Ende tritt Generalintendant Christoph Meyer dann mit dem Ensemble auf die Bühne, findet bewegende Worte zur gegenwärtigen politischen Lage in der Ukraine und singt mit den Solisten ein bewegendes „Verleih uns Frieden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy.