Nach einer Online-Veranstaltung zwischendurch ging die an junge Familien gerichtete Reihe „SCHRUMPF“ der Ideenschmiede LOUDsoft – nun wieder in Präsenz – in die nächste Runde. „Like Tears in Rain“ des aus Israel stammenden Komponisten Yoav Pasovsky gestaltet sich vielmehr als interaktive Konzeption, denn als konventionelle Komposition.
Über ein Mischpult erhalten Kinder die Möglichkeit, Parameter wie Lautstärke, Tempo und Ambitus zu steuern. An diesen ständig wechselnden Einstellungen orientiert generiert ein eigens erstelltes Computerprogramm live eine Partitur, die auf die Bildschirme eines ausführenden Instrumental-Quintetts aus Mitgliedern des Zafraan-Ensembles übermittelt wird.
Auf dem Vorplatz der Elisabethkirche in Berlin-Mitte tummelt sich noch vereinzelt das verbliebene Publikum der vorangegangenen Vorstellung, denn „SCHRUMPF“ wurde gleich mehrmals an diesem sonnigen Sonntagnachmittag gegeben. So ist es möglich, ein Sicherheitskonzept umzusetzen und gleichzeitig genug experimentierfreudigen und entdeckungsbegeisterten kleinen Gästen die Gelegenheit zu bieten, sich an dem außergewöhnlichen System zu erproben. Ohne viele Worte zu verlieren führt Daniella Strasfogel, Künstlerische Leiterin des Vorhabens, pointiert in die Veranstaltung ein, bespricht die notwendigen und aus inzwischen allen Bereichen bekannten Hinweise und erklärt, dass die Kinder ihre Eindrücke im Anschluss auf den im Hof aufgestellten Tischen geschrieben und gemalt festhalten können. Geschlossen geht es in den Kirchenbau.
Im Bann des Musizierens
Konzentriert blickt das kleine Mädchen am Pult abwechselnd auf die Musikerinnen und Musiker, verweilt beim Marimba ehe der Blick zum Saxophon und weiter streift. Währenddessen kommen die letzten Anweisungen im Flüsterton über die Schulter, das Mädchen nimmt sie mit sanftem Kopfnicken zur Kenntnis schon ganz versunken in der Tätigkeit. Mit großen Augen sitzen die anderen an den Rändern um das zentral platzierte Ensemble, fasziniert von den möglichen Formen des Musizierens, bevor sich allmählich die nächsten trauen, die Kontrolle zu übernehmen. So verschieden die Instrumente, so unterschiedlich die Herangehensweisen der Kinder: Minimalistische Klangverschiebungen – rapide Wechsel – einzelne Harfentöne entfalten sich und erkunden den Raum des Kirchenschiffs – eine zarte Flötenlinie gesellt sich dazu. Stets sorgt die Software im Hintergrund für den strömenden Fluss, fängt auch die kühnen Entscheidungen auf in einer allumfassenden Kontinuität, die zugleich eine große Palette an Vielgestaltigkeit zulässt.
Zugang ohne Hemmungen
Natürlich können manche beim Zuschauen und -hören nicht stillhalten, fläzen auf den ausgelegten Matten, die kleinsten krabbeln daneben umher. Aber dies ist eben auch ein Rahmen, der genau das zulässt und so nicht nur der oft allzu unfruchtbaren Familienvorstellung etwas entgegensetzt, sondern sogar ermöglicht, was das unerbittliche eigene Erlernen eines Instruments kaum leisten kann: eine Art, selbst zu musizieren, ohne ständiges Scheitern. Denn hier kann man keine Fehler machen. Und gerät damit auch nicht in die Frustspirale, die das Gros der jungen Musizierenden frühzeitig abschreckt oder spätestens irgendwann in der Pubertät das Instrument zur Seite legen lässt. Zweifellos kann das nicht den herkömmlichen Zugang zum klassischen Musizieren vollends ersetzen. Das Wachsen am Scheitern birgt eine spezielle Qualität die es gerade in Zeiten von feel-good, quality-time und life-balance zu erhalten gilt. Doch senken derartige Konzepte die Schwelle, legen so einen Zugang zum alten Kunsthandwerk und bergen das Potenzial, im Nachhall die Begeisterung zu entfachen, um sich so gegen das heutzutage aggressiv um Aufmerksamkeit buhlende Marktgeschrei durchzusetzen. Denn eins zeigt der Besuch deutlich: wie wichtig für Kinder noch der echte Mensch im Zentrum der Geistesgegenwart ist; etwas, das die Zukunftsmusiker von Silicon Valley längst vergessen haben.