Die Wittener Tage für neue Kammermusik werden seit 1969 gemeinsam von der Stadt Witten und dem Westdeutschen Rundfunk veranstaltet. Seit 1990 leitete sie Harry Vogt als Redakteur für neue Musik des WDR Köln. Nach 32 Jahren ist er jetzt in Pension gegangen. Das Programm des diesjährigen Festivals verdankt sich noch seinen Vorplanungen. Deren praktische Durchführung vom 21. bis 23. April obliegt nun dem Nachfolger Patrick Hahn. Sollte dieser die Wittener Tage ebenso sagenhaft lange gestalten wie sein Vorgänger, so gäbe es den nächsten Wechsel in der Leitung erst wieder 2054. Doch während niemand weiß, was die Zukunft bringt, sind manche Herausforderungen der Gegenwart umso gewisser, vor allem bei einigen logistisch und technisch besonders anspruchsvollen Formaten der diesjährigen Wittener Tage.
Das Stationentheater „Übertragung“ von Manos Tsangaris oszilliert an allen drei Festivaltagen zwischen dem Saalbau Witten und einem Container auf dem Vorplatz. Thema des Projekts ist etwas, das zwar wesentlich zu den Wittener Tagen gehört, vom Publikum vor Ort aber kaum erlebt und anhand einiger Anzeichen allenfalls erahnt wird, als da wären Ü-Wagen, Mikrofone, Verkabelungen und umherlaufende Tontechniker. Thema sind die Wittener Tage selbst, doch nicht als Konzertfestival, sondern als Radiofestival. Tsangaris lenkt die Blick- und Hörachsen des Publikums ins Innenleben des Radiomachens. Neben dem Kölner Kammerensemble hand werk und fünf Vokalisten treten daher auch drei Persönlichkeiten in Erscheinung, von denen man hauptsächlich die Stimmen kennt, weil sie sonst meistens im Verborgenen damit beschäftigt sind, Rundfunksendungen zu moderieren: Martina Seeber, Niklas Rudolph und Michael Struck-Schloen – See the Voice!
Aufwändig wird auch die Wittener Uraufführung von Christian Masons „Invisible Threads“. In den Ausstellungshallen des Märkischen Museums vagieren die Neuen Vocalsolisten Stuttgart, das Arditti String Quartet sowie der Bassklarinettist Gareth Davis und der Akkordeonist Krassimir Sterev mobil durch die Räume und das ebenso frei umherwandelnde Publikum. Umfassend porträtiert wird bei den Wittener Tagen Carola Bauckholt mit fünf Stücken aus verschiedenen Schaffensphasen seit 1990 – manche davon in Witten uraufgeführt – sowie den Uraufführungen der beiden neuen Werke: „Solastalgia“ für Violine, elektronische Zuspielungen und Video sowie das für Dirk Rothbrust und das WDR Sinfonieorchester geschriebene Konzert für Schlagzeug und Kammerorchester „Aus dem Geröll“. Weitere Novitäten stammen von Patricia Alessandrini, Eivind Buene, Yann Robin, Sara Glojnaric, George Lewis, Márton Illes, Bastien David, Dell/Illinger/Westergaard, Yiran Zhao, Eun-Hwa Cho, Benjamin Scheuer, Agata Zubel, Bára Gísladóttir, Klaus Ospald. Und natürlich sind alle Uraufführungen auch live oder zeitversetzt als Ursendungen im Kulturradio WDR 3 zu erleben.
eitere Uraufführungen:
- 05.04.: Andrea Lorenzo Scartazzini, Wunder für Luzerner Sinfonieorchester, KKL Luzern
- 13.04.: E-MEX-Ensemble, Musik, die aus der Zukunft kommt, Konzert im Rahmen der Ausstellung Nam June Paik, Dortmunder U
- 14.04.: Han Lash, Forestallings für Orchester, Staatstheater Mainz
- 14.04.: Arnaud Petit, La Bête Dans La Jungle, Oper auf ein Libretto von Jean Pavans nach Henry James, Oper Köln
- 28.–30.04.: Rebecca Sauners, Simon Nabatov, Claudia Robles-Angel, Naomi Pinnock, Tom Belkind, Lucia Ronchetti, neue Werke, Festival ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln
- 30.04.: Philipp Maintz, choralvorspiel IX (erbarm dich mein, o herre gott), Gewandhaus Leipzig