„Kommissar Batic, übernehmen Sie!“ musste der anwesende Miroslav Nemec eigentlich gebeten werden. Denn ein Maskierter eroberte in Heiratsschwindler-Manier das Herz einer Schönen, entführte sie, belog und betrog Schwiegereltern und Öffentlichkeit – und kam straffrei davon. Doch der kroatisch stämmige Tatort-Kommissar verstand das alles viel besser und amüsierte sich muttersprachlich bestens: schließlich passiert das alles seit 1935 bis heute über 700mal in Zagreb. Wolf-Dieter Peter hat es sich angehört.
Über Komponist Jakov Gotovac (1895-1982) muss der Musikfreund nördlich der Alpen verschiedene österreichische und deutsche Musiklexika bemühen. Im kroatischen Musikleben nimmt er die Position „Schöpfer der Nationaloper“ ein, hat aber auch wie Smetana, Dvořák oder Bartok die heimische Folklore gesammelt, verarbeitet und auskomponiert, speziell die große Chor- und Tanz-Tradition. Zwar ist seine 1926-27 entstandene dreiaktige Volksoper „Ero der Schelm“ erst 1935 in Zagreb uraufgeführt worden, dann aber 1938 schon in deutscher Sprache in Karlsruhe – und am 20.Dezember 1942 (!) in Münchner Nationaltheater - da stockt der kulturhistorisch mitdenkende Musikfreund denn doch.
Nichts im Programmheft – doch beim Nachschlagen wird sofort klar: in den NS-Jahren war ein Gutteil der Kroaten eben kein – vom jungen Hitler in Wien so bezeichnetes - „Balkangesindel“, sondern gespenstisch „gute Verbündete“: die Ustaša-Milizen hausten blutrünstig im Balkan. Somit war kroatisches Kulturgut in der ohnehin aberwitzig inkonsequenten Musikpolitik der Reichsmusikkammer akzeptiert – und die „Hauptstadt der Bewegung“ mit GMD-Intendant Clemens Krauss, Regisseur Rudolf Hartmann und Dirigent Heinrich Hollreiser profilierte sich…
Das Jugoslawien Titos erwarb einen anderen Status und mit ihm die Kultur des Vielvölkerlandes: Gotovacs „Ero“ wurde seit den 1970er quer durch die europäische Opernlandschaft aufgeführt. Denn es gibt musikdramatische Qualitäten zu erleben. Der fesche und reiche Ero hat von der lebensklugen Mutter den Rat bekommen, seine künftige Frau durch „Armut“ zu prüfen. Also tritt er als aus dem Paradies gefallener, arbeitsloser Vagabund auf, dessen Name „Liebe“ und auch „Bazi(bayrisch)“ bedeutet – und mit der Liebe zu Dula wird es ernst: „Vom Paradies fall‘ ich in den Himmel!“ Milan Begovičs Libretto soll mehr an solchem Wortwitz enthalten, was in der eher biederen deutschen Übersetzung fehlt; erkennbar entlarvt er kirchliche Scheinmoral, Aberglauben, Eitelkeit und Dummheit der Menschen, so dass sich Ero allerlei erschwindeln kann. Doch als er am Ende alles zurückgibt, steht dem Glück mit Dula nichts im mehr im Wege und ein kroatisch überbordendes Volksfest bricht aus – ein fulminanter musikalischer „Ausbruch“ in Form des einheimischen „Kolo“, einer großen Chor-Tanz-Musiknummer, die hochdifferenziert und musikantisch beschwingt, ja mitreißend den abschließenden Höhepunkt bildet.
Davor boten das Münchner Rundfunkorchester unter seinem kroatischen Chefdirigenten Ivan Repušič die farbenfrohe, immer wieder tänzerisch pulsierende Musik Gotovacs wohl so idiomatisch wie nur möglich: ein schönes Liebesduett, ein paar gute kleine Charakternummern für die Eltern, viel Kommentierendes für den immer wieder anwesenden Chor – aber auch viel lediglich nett begleitendes Klangbild mit ein wenig folkloristischen Zügen. Dennoch war der Gesamteindruck so authentisch wie nur möglich: der Kroatische Rundfunkchor sang und sämtliche guten Solisten kamen aus Kroatien, voran Valentina Kobič als Dula und Tomislav Mužek als Ero. Die Einladung in die Musikstadt München, Premierenfieber, Rundfunkübertragung und CD-Mitschnitt verführten alle zu einem Zuviel an Lautstärke. Doch die anwesende, große kroatische Gemeinde bis zum Generalkonsul feierte alles enthusiastisch – und für den Opernfreund war ein bislang weißer Fleck im Repertoire farbig ausgefüllt.
- Der Mitschnitt erscheint bei cpo auf CD; mehrere BR-Hörfunksendungen zu Gotovac und dem Musikland Kroatien sind als Podcast abrufbar.