Als im Jahr 2019 eine EU-Richtlinie (2019/790) zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt beschlossen wurde, war für den absoluten Großteil der Gesellschaft nicht absehbar, dass künstliche Intelligenz (KI) in der Breite Anwendung finden wird. Entsprechend wurde Forschungseinrichtungen zugestanden, unentgeltlich und unabhängig von den Rechteinhabern große Mengen digital verfügbarer Daten auszuwerten. Eine Ausnahmeregel, mit der auch KI-Entwicklungsfirmen legitimieren, umfangreichen Datenmassen, für das Training ihrer KIs zu verarbeiten. Jetzt warnt die Initiative Urheberrecht (IU): Sollte dies nicht ausdrücklich urheberrechtlich reglementiert werden, drohe nicht nur die gesamte Kreativ-Branche, sondern auch die kulturelle Vielfalt der Gesellschaft existenziellen Schaden zu nehmen.
Auf über 24 Seiten informiert die IU über den aktuellen politischen Stand, die allgemeinen Gefahren sogenannter generativer KI – also alle neuronalen Computer-Netzwerke, die auf das Nachahmen menschlicher Erzeugnisse trainiert werden –, die besonderen Gefahren für die verschiedenen Kultursektoren und die Lösungsvorschläge der IU.
Vor den allgemeinen Gefahren von GPT-4 warnte Entwickler OpenAI in einem technischen Report aus dem März dieses Jahres selbst: GPT-4 erzeuge glaubwürdigere Texte, als seine Vorgänger, würde darin aber weiterhin teils gefährliche Fehlinformationen einbauen. Die KI-Erzeugnisse bleiben dabei schwer einzuschätzen – einerseits wird ihr Können unterschätzt, oder nicht erkannt: Diverse Foto- und Kunstwettbewerbe wurden in den letzten Monaten mit KI-Bildern gewonnen; andererseits aber auch überschätzt: wenn zum Beispiel ein Textgenerator erfundene Quellen oder historische Begebenheiten glaubwürdig in einen Text einbaut.
Wem gehört der Output?
Hier müsse die Politik generell für mehr Transparenz sorgen, so die IU. Ihr Hauptanliegen ist aber, diejenigen zu schützen, die sie vertritt: Die Initiative ist ein Zusammenschluss von über 40 Berufsverbänden und Gewerkschaften aus dem kreativen und kulturellen Bereich und allgemeinen Urheberrechts-Inhaber*innen. Derzeit gebe es keine Lösung für das Problem, dass vom Urheberrecht geschützte Daten für das Training von generativer KI genutzt würden, ohne die Rechteinhaber*innen am Output zu beteiligen. Auch liegt keine Nachweispflicht für genutzte Trainingsdaten vor – entsprechend schwer lässt sich beurteilen, wessen gedankliches Eigentum die generative KI mitgeformt hat.
Hochqualitativer, inspirierter Abklatsch?
Ein Argument für die unregulierte KI ist das „Inspirations-Verhältnis“ zwischen KI und Trainingsdaten – vergleichbar mit menschlichem Lernen. Dem erwidert die Stellungnahme der IU, dass hinter jeder legalen menschlichen Inspiration ein individueller und rechtmäßiger Zugang zu den Inspirationsquellen stünde. Zugänge, die bei jedem individuellen Abruf dem Urheberrecht unterliegen. Für das Data-Mining ist hingegen nur ein Abruf und zudem eine Kopie nötig. Außerdem habe das Ergebnis die Chance, eine kulturelle Erweiterung zu sein, während die KI entwicklungsbedingt nur eine wahrscheinliche Schnittmenge aus Stil- beziehungsweise Inhaltskopien erzeuge und dabei zudem Unmengen Energie verbrauche.
Assistierende KI gerne – ersetzende KI gerne nicht
Mit zunehmende Marktreife in verschiedenen Anwendungsbereichen könnte also Kunst, Fotografien, Film-Synchronisationen, Drehbücher, Illustrationen, Design, Musik und vieles mehr menschenähnlich und innovationslos erzeugt werden: Dies würde, so die IU, einerseits eine existenzielle Bedrohung der Berufsstände und andererseits eine Verarmung der Kultursektoren bedeuten.
Grundsätzlich würden KI-Technologien ermöglichen, kreatives Schaffen leichter und schneller zu gestalten – die Politik müsse wegen der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Gefahren aber insbesondere generative KI und deren Entwicklungsprozesse regulieren.
Die Stellungnahme auf Deutsch: https://urheber.info/media/pages/diskurs/ruf-nach-schutz-vor-generativer-ki/03e4ed0ae5-1681902659/finale-fassung_de_urheber-und-kunslter-fordern-schutz-vor-gki_final_19.4.2023_12-50.pdf