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Plakatgestaltung: Axel Göhre/Inside Grafik, Halle (Saale).
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„Ladies First“: Zur Jahresausstellung 2019 im Händel-Haus Halle

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Die unterhaltsame Rundschau für fast alle Altersgruppen punktet mit viel Basiswissen. Aber vielleicht will die Jahresausstellung „Ladies First!“ im Händel-Haus einfach zu viel: Frauenpersönlichkeiten aus der Biographie des sein ganzes Leben unverheiratet gebliebenen Georg Friedrich Händel werden vorgestellt, auch Frauenfiguren aus seinen Opern und Oratorien. Als Eskapade dazu noch ein Schwenk zu William Hogarths Zyklus aus sechs Gemälden und Kupferstichen „Lebenslauf einer Dirne“ (A Harlot's Progress, um 1732).

Familienangehörige, Anhängerinnen, Auftraggeberinnen, poetische Figuren und Interpretinnen sind die realen und fiktiven Frauenfiguren aus Georg Friedrich Händels Vita, die der Kurator Karl Altenburg in den kleinen Ausstellungsräumen des Händel-Hauses in eine performative Folge bringt.

Unter den realen Persönlichkeiten ist sicher Händels Nachbarin Maria Delany die interessanteste, weil bei den von ihr erhaltenen Dokumenten die Positionierung von Frauen und Reflexe auf das künstlerische Schaffen Händels unmittelbar zusammenfallen. Feine Ironie spricht aus der Präsentation eines haptischen Nähkästchens neben einer Tonstation, aus der Mary Delanys ‚Nähkästchen-Plaudereien‘ über ihre Besuche von Aufführungen Händelscher Opern tönen. Der Kurator setzte ein fiktives Porträt von Händels Mutter Dorothea in Anlehnung an den von Händel geschätzten Rembrandt auf eine Tafel, weil von dieser kein Bild bzw. Porträt existiert. Für Händels berühmte Sängerinnen Faustina Bordoni, Francesca Cuzzoni und Susannah Cibber hängen drei Bügel mit auf lackierten Holzplatten nachmodellierten Kleidern an einer Stange. In anderen Räumen reißt die Präsentation auf zu epochalen Spannungsfeldern, Händels Auftraggeberin Queen Anne und dem Anti-Bild weiblicher Sozialisation bei dem Zeichner William Hogarth, der käuflichen Frau. Soviel wird deutlich: Frauen, die sich gegen Übergriffe und unglückliche Partnerschaften selbstbestimmt zur Wehr setzten, waren Ausnahmen und widersprachen den Konventionen.

Neben den Hinweisen auf die gemessen an der weiblichen Lebenswirklichkeit der Entstehungszeit progressive Gestaltung von Frauenfiguren in Händels  Opern blitzen spannende Akzente auf, etwa wenn Karl Altenburg die mythische Zauberin Medea aus „Teseo“, Händels wirkungsmächtigste Frauenfigur, in Beziehung setzt zur letzten Hexenverbrennung in England 1731.

Insgesamt wirkt das Versprechen einer Bezugnahme von Frauenleben zur Zeit Händels und Fragestellungen heute (#metoo) etwas oberflächlich. So unterscheidet man nicht deutlich genug zwischen den Konventionen an Händels Wohnorten, wie diese bereits von Zeitzeugen zwischen mitteldeutschen Höfen, Italien und Großbritannien festgestellt wurde. Unscharf ist auch die Präsentation von Frauenfiguren aus Händels Partituren, zwischen Partie und normierender bzw. rebellierender Funktionalisierung. Ein Raum ist diesen mit Tonbeispielen gewidmet. „Rodelinda“, die Travestierolle Bradamante aus „Alcina“ und viele andere werden mit Reproduktionen von Kostümfigurinen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bebildert.

Wie die im Bach-Museum Leipzig am 13. Februar eröffnete Kabinett-Ausstellung „Hof-Compositeur“ Bach und Arbeitsbedingungen von Musikern im Feudalismus erhält man bei der Jahresausstellung „Ladies First“ des Händelhauses einen konzeptionellen Vorgeschmack auf das Festival 2019 (Thema: „Empfindsam, Heroisch, Erhaben – Händels Frauen“). Eine subtile Vorbereitung zur Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz „Frauengestalten in den Werken Händels und seiner Zeitgenossen“ vom 3. bis 5. Juni im Rahmen der Händelfestspiele darf man allerdings nicht erwarten. Dafür eine unterhaltsame Einführung für die ganze Familie, die aus dem kulturwissenschaftlichen Diskurs über Geschlechterpositionen vor dreißig Jahren bis zur Reflexion des Gender-Mainstreams und seiner Spiegelung an der Rezeption der Händel-Zeit Essentielles vorstellt. 

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