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Foto: Alain Kaiser
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Landpartie mit Hammer und Taube – Charles Gounods „La Colombe“ und Darius Milhauds „Le Pauvre matelot“ in Colmar

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Alles ist ziemlich klein dimensioniert an diesem Musiktheaterabend. Nur die zentralen Fragen sind groß: Sowohl in der Farce mit der besonders intelligenten Taube wie in der knapp gefassten Tragödie vom Spätheimkehrer, die mit dem Hammer entschieden wird.

In beiden Fällen geht es um hartnäckige Liebe und um die ihr korrespondierende Treue, die auf die Probe gestellt wird. Zugleich verknüpfen die aus schroffem ökonomischem Gefälle resultierenden Konflikte in den intimen menschlichen Beziehungen die zwei ansonsten höchst unterschiedlichen Werke, mit denen die Opéra National du Rhin die französische Grenzregion am Oberrhein jetzt bespielt – den elsässischen Landstrich, der Lörrach, Freiburg, Lahr, Offenburg und Baden-Baden auf der anderen Seite des Flusses gegenüberliegt.

Die Rheinoper verfügt (sieht man von gelegentlich genutzten Nebenspielstätten in Strasbourg ab) über drei kontinuierlich bespielte Häuser: Das stolze klassizistische Theater an der Place Broglie in der Regional-Metropole, die aus der Umwidmung einer Textilfabrik entstandene Filature in Mulhouse und das 1849 eingeweihte Théâtre Municipal in Colmar. Letzteres steht auf den Fundamenten eines mittelalterlichen Klosters und ist mit seinen gut 500 Plätzen auf die charmanteste Weise klein, kammermusikalisch auch der Orchestergraben bestückt – mit je fünf Streichern und Bläsern bei Charles Gounods „La Colombe“ und mit 13 Solisten bei Darius Milhauds „Le Pauvre matelot“.

Kurz gehalten sind die fünf Akte des Doppel-Abends – zwei wurden von Gounod mit leichter Hand 1860 für die Sommerfrische in Baden-Baden komponiert, drei noch viel kürzere 1927 von Milhaud in Paris aufs Papier geworfen. Das Resultat war eine zunächst sehr elegische, dann motivisch scharf pointierte neoklassizistische Montage-Musik, die unter der Leitung von Claude Schnitzler zunehmend an Prägnanz gewinnt. Nach all den wuchtigen Wagner-Bekundungen und gewichtigen Verdi-Produktionen der vorigen und der laufenden Spielzeit wirkt sie ausgesprochen erholsam.

Die Rettung der Liebe und der Taube

Den Dimensionen der handlichen Werke völlig angemessen (und eben nicht übermotorisiert) erschien die Realisierung am kleinsten der drei Häuser, die die Opéra National du Rhin bespielt. Sie präsentiert durchweg junge Solisten aus ihrem in Colmar angesiedelten Opernstudio. Sie haben ihre Feuer- und Liebesproben in den musikalisch anspruchsvollen Partien allesamt respektabel oder gut bestanden – vornan, bei Gounods Opéra-comique, Gaëlle Alix als liebesbedürftige reiche Gräfin Sylvie, die auch im kleinen Format mit den größten Koloraturen aufzuwarten hat, und Jean-Christophe Born mit einem beglückend leicht in Anschlag gebrachten Tenor als junger Florentiner Edelmann, der um der Liebe willen völlig verarmt und noch das Letzte zu geben bereit ist.

Die Lebensverhältnisse von Horace stattete der auch für Beleuchtung und Inszenierung zuständige Stéphane Vérité auf nahe liegende Weise aus. Er zeigte einen sparsam möblierten Raum vor einer Wand mit verblichenen und ramponierten Fresken und einer Flügeltür, deren Lack abblättert. Raffinierter Video-Einsatz lässt den Grad der Verkommenheit eskalieren und dann erotische Bilder des 19. Jahrhunderts aufscheinen – Damen mit Strapsen und Herren in liebestötender Badebekleidung. Alles mit Patina. Doch nichts wird aus dem Rettungskauf, mit dem Sylvie in Besitz der klugen Taube gelangen will, um gegen der mit einem Papagei punktenden Rivalin Amynte die Show zu stehlen, und zugleich den ihretwegen verarmten Horace zu sanieren – dafür klappt es mit der Essenseinladung und in deren Gefolge mit der Neuauflage der Beziehung. Die Taube, die mit einem Flügel schon in der Bratröhre war, bleibt auch am Leben – der zufällig zugeflogene Papagei der Gegenspielerin wird massakriert und serviert. Und das alles mit einer Musik, die mit der des Pariser Erfolgskomponisten Philippe Musard auf noble Weise zu konkurrieren trachtete und Jacques Offenbach ankündigt.

Das eigene Glück lässt sich nicht von außen betrachten

Die Rückkehr des in fünfzehn Jahren in der Fremde zu einem Vermögen gelangten Matrosen in die Hafenspelunke seiner Frau zeigt Stéphane Vérité vorm Ausblick auf riesige Wellenbrecher, einen Kran und einen Leuchtturm: einfache Theatermittel machen die Arme-Leute-Welt an der Wasserkante und die Zwischenkriegszeit drastisch. Jean Cocteaus Moritat befleißigt sich einer demonstrativ lakonischen Sprache – und die Tonspur korrespondiert ihr mit den sparsamen Linien und Klangflecken, aus denen (wie Strandgut) melodische Motive aus den wohlklingendsten Sphären einer mit dem ersten Weltkrieg versunkenen Musikkultur auftauchen. Das Gesangsquartett um Kristina Bitenc bleibt dem Lehrstück zur Liebesprobe, die man tunlichst unterlassen sollte, nichts schuldig. Der Versuch des inkognito zurückkehrenden Seemanns, die in treuer Liebe sich verzehrende Ehefrau aus nächster Nähe zu beobachten, endet tödlich. Indem er sie wissen lässt, der Mann sei – völlig überschuldet – auf dem Weg zu ihr, schleicht sie nachts in sein Zimmer, erschlägt ihn kurz und knapp und raubt ihn aus, um sich mit dem so lange sehnlich Erwarteten eine lichte Zukunft zu ermöglichen.

Die Colmarer Doppel-Produktion geht jetzt nach Mulhouse, Strasbourg und Paris. Auch an geeigneten Häusern rechts des Rheins könnte sie ihren kühlen Charme entfalten und sich gegen das Gewichtige als Frühlings-Diät des Musiktheaters profilieren.

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