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Evmorfia Metaxaki (Hanna Glawari), Chor des Theater Lübeck. Foto: Olaf Malzahn

Evmorfia Metaxaki (Hanna Glawari), Chor des Theater Lübeck. Foto: Olaf Malzahn

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Lehárs „Lustige Witwe“: Lübeck wählt für das schwere Studium der Weiber einen Waschsalon

Vorspann / Teaser

Franz Lehárs „Lustige Witwe“ gehört nun einmal in das Repertoire eines Stadttheaters. In diesem Jahrtausend ist es allein in Lübeck nach 2002 und 2011 die dritte Inszenierung (7. September 2024) der Operette. Aber kleinere Häuser haben den zusätzlichen Reiz, immer ein paar Charakterköpfe im Ensemble zu haben, weibliche wie männliche, solche mit besonderer Verharrungstendenz, aber mit vielseitiger Bühnenpräsenz. Ihr Publikum kennt sie, fühlt sich sicher mit ihnen. Sie werden Garanten für den Erfolg. So ließ sich die Rolle des Barons Mirko Zeta, des pontevidrinischen Gesandten, jetzt zum dritten Male mit Steffen Kubach und seiner mitreißenden komödiantischen Bravour besetzen. Auch seiner Bühnenfrau Valencienne, verkörpert von der absolut stilsicheren Andrea Stadel, hält er seit 13 Jahren die Treue – oder sie ihm. 

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Regie und Zeitgeist

Die Regie geht immer andere Wege, findet manches Mal nur holprige. Sie zeigte sich wieder allzu sehr dem Zeitgeist verpflichtet, indem sie Hanna Glawari, der lustigen Witwe, ihren gewaltigen Reichtum nicht einfach als Erbe schenkte. Nein, sie musste ihn als Selfmade Woman noch beträchtlich mehren. Denn Regisseur Bruno Klimek lässt sie einen Waschsalon samt Putzgeschwader betreiben und zudem darin eine palasteigene Sauna, in der sie den Herren tüchtig einheizt. In beiden, im Salon und der Sauna, geht es den Männern zudem an die Wäsche, vor allem in den besonderen, auf sie ausgerichteten Kursen. Es wird gezeigt, dass sie gut besucht sind. Deren Thema ist, wie sich die Herren beim Windel- und Hosenwaschen emanzipieren können. Sie sind gut besucht und praktisch ausgerichtet. So muss manches Männerbein zur Übung entblößt werden. Selbst wenn ein Teil des Publikums schmunzelt, zeigt sich doch, dass das Gendern auch beim Striptease nicht klappt. Der männliche Appeal wirkt eher gegensätzlich. 

Eine gewisse Aktualität gewinnt die rund 120 Jahre alte Handlung von Victor Léon und Leo Stein dennoch. So könnte in Ansätzen Baron Zeta auch unserem Oberfinanzwart Christian Lindner empfehlen, mit allen Mitteln das Geld im eigenen Ländle zu halten, wie in Pontevedro damals so in Germany heute. Die Waschmaschinen der Firma Miele sind da ein passendes, zugleich aktuelles Vergleichsobjekt. So weit, so gut. Bruno Klimek strapaziert den Vergleich aber ins Abstruse, wenn er, nur wenig hinter den knapp 20 Schleudermaschinen auf der Bühne versteckt, im Massensex Kinder zeugen lässt. Nach der potenten Tat und einem Waschgang in Rekordgeschwindigkeit entnehmen die stolzen Väter gar noch ihre Retortenbabys den Trommeln, während die Mütter mit ihren Geburtswehen zu kämpfen haben. Die bekannten drei Fragezeichen reichen da nicht.

Das ist ebenso wenig erheiternd wie das eher abgeschmackte oder schmuddelige Männerballett, mit dem die Witwe ihrem Danilo das Maxim vermiesen. Schmissig ist allenfalls die Musik, denn GMD Stefan Vladar und das Orchester hatten sich mit viel Geschick der vielseitigen Partitur angenommen und dieser „Lustigen Witwe“ einen erstaunlich einfühlsamen Klang gegeben, der die Merkwürdigkeiten der Regie zumeist übertünchte. 

Ein paar Buhs

Beim zeremoniellen Auftritt der leitenden Künstler zum Schlussapplaus gab es wegen dieser Szene ein paar deutliche Buhs. Der mittlere Akt missfiel, während die rahmenden mit Spielwitz und Tempo weniger vermissen ließen, was einer Operette ansteht. Das Problem war wohl auch hier, dass der Regisseur in der Witwe mehr als ihr lustiges Wesen entdecken wollte. Er müsste gemerkt haben, dass Hanna Glawari als Betreiberin eines Waschsalons wenig hergab. Aber er hatte in Evmorfia Metaxaki die mit Charme und mit leichter und sicherer Gestaltung überzeugende Rekreation der einmal unbeschwerten Bühnenfigur, auch optisch ein Genuss in ihren auffallend schönen Roben (Yvonne Forster). Evmorfia Metaxaki konnte sie tragen, machte sich mit ihnen zur Erscheinung und rettete das Bühnenereignis.

Ihr nahm man ab, wie souverän sie ihre Damenwahl betrieb, zumal sie in Erwin Belakowitsch, dem einzigen Gast, einen ehrlichen, zugleich dezenten Grafen Danilo Danilowitsch als Partner hatte. Grandios wie der Schwerenöter aus dem Maxim bekannte: „Dass wir so gut zusammenpassen, passt mir gar nicht.“ Grandios auch wie sich feinsinnig zwischen ihnen das gegenseitige Vertrauen wieder entwickelte. Das war hohe Theaterkunst und Lehár angemessen. 

Das Happy End 

Man weiß: das Happy End gehört zur Operette. Die im Zank Verbundenen finden sich, und auch Baron Zeta behält seine Valencienne. Allein dem ewig düpiertem Galan, dem Marquis Camille de Rosillon, fällt eine sehr viel schwierigere Rolle zu. Dem Hoffenden hilft allein sein wendiger, zugleich kräftiger Tenor. Mit ihm kann Noah Schaul glänzen und seinen Platz im Spiel um Ehe und Fächer verteidigen. Doch Moral oder Lust – sein Geschick bleibt offen. – Geschickt ist das weitere Personal auf wenige Charaktere verkleinert, zu denen das Pärchen Vicomte Cascada (Yong-Ho Choi) und Raoul de St. Brioche (Tomasz Myśliwiec) gehört und die unter seiner paranoiden Eifersucht leidenden Eheleute (Thomas Stückemann und Imke Looft). Auch hier gibt es für die Zukunft Fragezeichen. 

Beweglich ist der Chor des Theaters, der ein paar sehenswerte Szenen der Choreografie Kati Heidebrechts verdankte, wofür ihm Jens Kilian ein großes Oval mit vielen Türen und Spiegeln baute. In ihm konnte sich auch die gesangliche Geschlossenheit voll entfalten, die der Chor wiederum der sicheren Einstudierung Jan-Michael Krüger zu danken hatte. 

Fazit

Rette die Operette, aber nicht so. 

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