Vor 10 Jahren begann Christian Firmbach als Intendant in Oldenburg. Nun verabschiedet er sich mit Giacomo Puccinis Triptychon „Il Trittico“. Puccinis letztes vollendetes Werk, ein dramaturgisches Experiment, komponiert mitten im Ersten Weltkrieg. Am 14. Dezember 1918 an der Metropolitan Opera in New York erfolgreich uraufführt.
Leuchten aus dem Graben – Giacomo Puccinis Triptychon „Il Trittico“ in Oldenburg
Drei Geschichten, die verschiedenartiger nicht sein könnten: „Tabarro“, ein Eifersuchtsdrama im Schiffermilieu in Paris an der Seine, dann die mystische Verklärung einer Nonne in einem Kloster Ende des 17. Jahrhunderts. Im Prinzip die Tragödie einer jungen Frau, die vor dem Hintergrund einer engstirnigen Moral um ihr Leben und ihr Kind betrogen und schließlich in den Selbstmord getrieben wird. Und schlussendlich eine Erbschleicherkomödie im Florenz des 13. Jahrhunderts, die Dantes „Göttlicher Komödie“ entlehnt ist.
Das Opern-Triptychon ist für Regisseure stets eine diffizile Übung – nur selten gelingen die drei Einakter gleichermaßen überzeugend. Am Staatstheater Oldenburg ließ man wohl deshalb jeden der drei Einakter von verschiedenen Regisseuren inszenieren.
Ernst und Realismus der drei Einakter werden mehr oder minder scharf beleuchtet, und vor allem das bisweilen unterschätzte Mittelstück „Schwester Angelica“ gerät bei Tom Ryser zu einer großartigen psychologisch differenzierten Frauentragödie mit gänzlich unsentimentaler, glaubwürdig „visionärer“ Schlusswirkung. Im Kontext der „tragischen“ Stücke ist dann auch „Gianni Schicchi“, übrigens des Meisters einzige Buffo-Kurzoper, kein konzilianter Schabernack, sondern wird in der Sichtweise von Tobias Ribitzki ein finster-makabres Satyrspiel.
Die eigentlich nachtschwarze Milieu-Studie des „Tabarro“ wird von Mathilda Kochan leider eingedampft zum Liebesdrama auf einem Lastkahn auf der Seine: Treue und Untreue, Lust und Last, große Gefühle und Sex. Maurice Chevalier lässt grüßen. Willkommen in Paris, die Stadt der Liebe! Verwahrloste Figuren in vielfältigen Konfliktsituationen, noch ein von Sexualisierung, Prostitution und Gewalt geprägtes Prekariat, das wird von der Regisseurin geschickt umschifft. Wobei die weiblichen wie die männlichen Figuren sich mit konventionellen Gesten aus dem Opernfundus begnügen dürfen.
Entscheidend ist aber letztlich die Anlage der drei Opern selbst und die in ihr herrschende Musikdramaturgie. Sie hat in Hendrik Vestmann einen vorzüglichen Anwalt. Mit einem subtilen Sinn für die klanglichen und polyphonen Dimensionen führt er das Oldenburgische Staatsorchester überzeugend durch die komplexe Partitur. Hendrik Vestmann lässt es aus dem Graben leuchten. Beschwört die echten Stimmungen und Gefühle der Figuren. Perfekt hält er die Klangbalance zwischen Orchester und den auch in den Nebenpartien ausgezeichnet singenden Solisten. Große Spiel- und Sangesfreude beweist Donato Di Stefano als betrügerisches Schlitzohr Gianni Schicchi.
Ann-Beth Solvangs Interpretation von Giorgetta ist eindrucksvoll und hinreißend. Sie verfügt über eine wundervolle Stimme, mit dunkler Mittellage und einer strahlenden Höhe mit einer filigranen Vielfalt hinsichtlich der dynamischen Behandlung. Leonardo Lee verkörpert mit seinem expressiven Bariton einen glaubwürdigen Michele und Jason Kim singt den Luigi mit glühender Begierde und kraftvollem Tenor. Vor allem sie ließen das Drama um Eifersucht, Mord usw. trotz des dürftigen Regiekonzeptes zu Herzen gehen.
Mit einer Puccini-Stimme, die Klangschönheit, Schmelz und dramatische Intensität miteinander verbindet, macht Małgorzata Pawłowska als Suor Angelica die Arie ‚Senza mamma‘ zu einem Ereignis. Überzeugend bezaubernd, wie sie die hohen Spitzentöne im Pianissimo am Ende der „Senza mamma - Arie“ als Sprungbrett für die folgenden Erregungen angesichts der Aussichtslosigkeit ihres Daseins nutzt.
Die dramaturgische Einheitlichkeit der drei Werke wird durch den geschickt modifizierten Bühnenrahmen von Stefan Rieckhoff (Bühne und Kostüme) und Steff Flächsenhaar (Licht) unterstrichen.
Fazit: Bis auf die erwähnten Abstriche, eine insgesamt überzeugende Interpretation, die auch unterstrich, dass Christian Firmbach zum Ende seiner erfolgreichen zehnjährigen Intendanz ein gut aufgestelltes Haus hinterlässt. Chapeau!
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