Schon in der Papierform sah das nach ziemlich unfairem Wettkampf aus. Als im letzten Herbst bekannt gegeben wurde, wer da im „Bass Erstaunt“ überschriebenen „BMW Welt Jazz Award“ gegeneinander antritt, durften sich Eingeweihte schon die Frage stellen, welcher der fünf Konkurrenten Renaud Garcia-Fons bitteschön ernsthaft die Stirn würde bieten können. Der Franzose mit iberischen Wurzeln ist der vielleicht vollkommenste unter den Jazzbassisten unserer Tage, ein Mann, der mit bloßen Fingern, aber auch mit dem Bogen am Bass in neue Dimensionen vorgedrungen ist. Seine Ausnahmestellung hat er im Doppelkegel eindrucksvoll unterstrichen.
Es gab eigentlich nur einen Punkt, an dem der 54jährige bislang verwundbar gewesen ist: seine jenseitige Technik und sein Perfektionsdrang standen ihm in der Vergangenheit manchmal im Wege. Oft packte er auch zu viel in seine Stücke hinein – als wollte er das Wesen des Orients, von Al Andaluz und dem Jazz in jeder Komposition umfassend beschreiben und dann auch noch zeigen, was er alles drauf hat. Das konnte auf Dauer schon ermüden.
Blöd für Chris Minh Doky, Lars Danielsson, Henning Sieverts, Linda Oh und Eva Kruse – seine Mitbewerber um Pokal und Preisgeld – ist allerdings, dass Renaud Garcia-Fons offensichtlich begriffen hat, was er sich und seiner Musik mit dieser permanenten Informationsflut, mit der Überfrachtung seiner Kompositionen und der Kabinettstückchen-Inflation angetan hat.
„Revoir Paris“ ist das Programm überschrieben, das er mit dem Akkordeonisten David Venitucci sowie dem Schlagzeuger und Vibrafonisten Stephan Caracci beim BMW Welt Jazz Award zur Aufführung brachte. Und höre da: dieser akustische Streifzug durch die Seine-Metropole, durch ihre Künstlerviertel, durch multikulturell geprägte Arrondissements bringt plötzlich eine ungekannte Leichtigkeit und Lockerheit in sein Schaffen hinein. Es swingt und groovt oder tänzelt beschwingt im Musette-Walzer-Rhythmus. Die Instrumentierung des Trios sorgt übrigens für eine Mischung, die typisch sein mag für Paris: Sentimentalität / leichte Wehmut (Akkordeon), Unbeschwertheit (Vibrafon) und Lebenslust (Bass).
Man hört Renaud Garcia-Fons und seinen Mitstreitern gern zu, wenn sie etwa in Klänge zu übersetzen versuchen, was Ihnen ein Pariser Taxifahrer einst an Geschichten erzählt hat.
Auch wenn der Virtuose Renaud Garcia-Fons, dessen Bass auf einem überlangen Bein steht, sich mittlerweile etwas zusammenreißt, zeigt er am Instrument trotzdem noch manches, was einen fassungslos den Kopf schütteln lässt – etwa, wenn er den Bogen mit einer nicht für möglich gehaltenen Gleichmäßigkeit auf den Saiten hüpfen lässt. Sein Bass tönt dann, als würde er eine Oud in den Fingern halten, die arabische Knickhalslaute, bei der die Saiten mit einer Adlerfeder von oben und unten angerissen werden.
„Wenn der es nicht ins Finale schafft, dann stimmt was nicht“ raunte ein Zuhörer hinter mir, der sich, wie viele andere zur Standing Ovation erhoben hatte.