Jeder Kongress hat seine Rituale. Die Eröffnung mit der Politik, die Reden, die Arbeitsgruppen samt der Präsentation der Ergebnisse und vor allem den Bunten Abend, wenn der Kongress tanzt. Handelt es sich dazu noch um einen Musikkongress, in unserem Fall um einen Musikschulkongress, dann bekommt dieser Bunte Abend eine doppelte Bedeutung. Er soll nicht nur unterhalten, auf die Tafelfreuden und die informellen Gespräche einstimmen, er soll auch eine Leistungsschau der Musikschulensembles und der Musikschularbeit ganz allgemein darstellen.
Das glückt nicht immer, oft bleibt die Musik auch hier dienend oder schlimmstenfalls reines Zierwerk. Nicht so beim Musikschulkongress in Bamberg.
Der gesellige fränkische Samstagabend wurde dort durch ein Konzert eingeleitet, bei dem alles stimmte: keine Tafelmusik, sondern Musik im und für den Konzertsaal – und was für einer. Welcher junger Musiker, egal ob angehender Profi oder Amateur, würde nicht einmal gerne im Konzertsaal der Bamberger Symphoniker auftreten? Kurzum, die Protagonisten wurden ernstgenommen.
Nach einer lobenswert kurz gefassten Begrüßung durch Klaus Hatting, den 1. Vorsitzenden des bayerischen Musikschulverbands, folgte ein abwechslungsreicher Konzertabend, der es den Teilnehmern nicht schwer machte, die Abendessenszeit auf 21 Uhr hinauszuschieben.
Die Band „Vollgas“ der Musikschule Fürth unter der Leitung von Uschi Dittus ist ein Beispiel für gelungene Inklusion, oder einfacher gesagt, behinderte Jugendliche bewährten sich in einer Aufführungssituation mit Traditionals aus Irland, Musik von „The Bandits“ oder Arrangements von „Quadro Nuevo“-Songs. Ein Opener, der beeindruckte, weil er zeigte, was Musikschule heute ist und kann – nämlich qualifizierten altersübergreifenden Ensembleunterricht für Menschen erteilen, die ohne Musikschule durch das Raster der musikalischen Bildung fallen würden.
Das Trompetenquartett der Musikschule Schweinfurt mit Daniel Korbacher, Johannes Stephan, Jonas Paul und Katharina Weck stand anschließend auf dem Programm und verhieß gewohnte Klassik-Kost. Konventionell aber war nichts an diesem Auftritt: Eine kurzweilige Moderation des Ersten Trompeters des Quartetts führte durch selten gehörte Musik von Leon Jessel, André Telman und Jan van Beekum. Nach den Bläsern präsentierte sich das Trendinstrument Schlagzeug einmal anders: Das junge Marimba-Trio der Städtischen Musikschule Bamberg überzeugte mit adaptierten Stücken aus Maurice Ravels „Ma Mére L’oye“. Einstudierung und Leitung besorgte Slawomir Mscisz, der die jungen Perkussionisten frühzeitig zum Marimbaphon und Vibraphon geführt hat. Ebenfalls Spitzenklasse, aber mit Originalkompositionen im Programm: das Fagott-Trio der Kreismusikschule Bamberg. Mit Interpretationen von Werken von Geoffrey Hartley und Volker Werner hat auch dieses Trio bereits „Jugend musiziert“-Preise erspielt.
Ein humorvoller Kontrapunkt war das Volksmusikprogramm in Originalkostümen der Jungen Grassauer Tanzmusik der Musikschule Grassau am Chiemsee. Einige Längen und Wiederholungen wurde durch die Spielfreude der Stubenmusikanten vor nichtbayerischem Publikum wettgemacht:
Kulturaustausch pur.
Auf hohem Niveau agierte der Jugendchor Nürnberg und bot ein breites musikalische Spektrum, das von den „Beach Boys“ über Thomas Tallis bis zu einer choreografierten Version des Stückes „Radio“ von den „Wise Guys“ reichte. Am Nachmittag davor hatte Matthias Stubenvoll, der Leiter des Jungen Chors Nürnberg, sein modellhaftes Chorprojekt den interessierten Kongressteilnehmern vorgestellt. Sein Chor besteht aus drei Abteilungen – zwei Kinderchören und einem Jugendchor. Stubenvoll arbeitet mit zwei festen Stimmbildnerinnen, die regelmäßig Atmung, Haltung, Artikulation, Intonation und Stimme trainieren. Junge Männerstimmen werden während des Stimmbruchs betreut, einzelne Sängerinnen und Sänger auf solistische Aufgaben vorbereitet. Ausbildung und Freizeit sind beim jungen Chor nicht zu trennen, der Chor beteiligt sich an Veranstaltungen mit der Musikschule Nürnberg, kooperiert darüber hinaus aber auch mit Nürnberger Chören und Orchestern wie Staatsphilharmonie, Hans-Sachs-Chor sowie der Kirchenmusik St. Lorenz.
Von regionalen Veranstaltungsagenturen werden die Chöre für Firmenfeiern, Kongresse und touristische Angebote gebucht. Auch die jährliche Eröffnung des bekannten Nürnberger Christkindles Markt gehört zu den Aufgaben der Chöre. Um wieder auf den Beginn des Artikels zurückzukommen: Wenn die Sache Musik so im Zentrum eines Kongresskonzertes steht, wie jetzt beim VdM-Kongress in Bamberg, dann bekommen Rituale wieder einen Sinn.
Weitere Berichterstattung über den Kongress auf den Seiten des VdM (Seiten 30 bis 32).