Die 19. Ausgabe der Klangspuren Schwaz ist die letzte unter der künstlerischen Leitung von Peter Paul Kainrath. Nach neun Jahren Arbeit für Österreichs derzeit wohl profiliertestes Festival zeitgenössischer Musik wendet sich der gebürtige Südtiroler neuen Herausforderungen zu: der Bewerbung der Regionen Venetien, Friaul-Julisch Venetien, der Provinzen Südtirol, Trentino und Venedig und der Stadt Venedig für die „Europäische Kulturhauptstadt 2019“. Sein Nachfolger 2013 wird Thomas Osterwold sein, dann wird es heißen: neuer Leiter, neue Netzwerke.
Koreanische Gegenwartsmusik steht im Zentrum des Festivals 2012 und Kainrath setzt damit auf einen Länderschwerpunkt, der ihm – unter anderem auch dadurch , dass er Chef des traditionsreichen Busoni-Wettbewerbs ist – seit vielen Jahr vertraut ist. Bereits im Zentrum des Eröffnungskonzertes, das auch dieses Jahr vom Tiroler Symphonieorchester Innsbruck bestritten wird, stehen zwei Stücke des „Composer in Residence“, der Koreanerin Unsuk Chin: Das Präludium zur fünften Szene ihrer Oper „Alice in Wonderland“ und „Su“ für chinesische Sheng und Orchester. Den okzidentalen Gegenpart gestaltet der thailändische Dirigent Wen-Pin Chien mit der Urauffühung von Georg Friedrich Haas’ „Tetraedrite“ für Orchester und der österreichischen Erstaufführung „Maniai“ von Joahnnes Maria Staud.
Während für das Tiroler Symphonieorchester die neue Musik eher aufregende Exotik darstellt, ist sie für das Ensemble Modern das Schwarzbrot: Im Zentrum der Klangspuren steht auch 2012 die Arbeit der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA), die ihren Höhepunkt beim Abschlusskonzert mit Werken von Unsuk Chin und Isang Yun findet. Die IEMA ist zum Erfolgsmodell im Zentrum des Festivals geworden: Von 118 Bewerbern aus 37 Nationen wurden 33 ausgewählt, allein auf die zwei Plätze für Dirigenten bewarben sich 30 Kandidaten. Da die Ernst von Siemens-Stiftung – bisher wichtiger Sponsor der IEMA – nur Projektförderung gewähren kann, muss nach einem bestimmten Abstand immer wieder mit der Förderung pausiert werden. Dadurch fällt 2012 etwa ein Drittel des Budgets der Akademie aus: Für die ausgewählten Teilnehmer bleibt die Akademie aber kostenfrei bis auf Unterkunft. Hauptsponsor ist im „Siemens-freien Jahr 2012“ die Art Mentor Foundation Lucerne und der Tourismusverband Innsbruck.
Peter-Paul Kainrath geht, aber eine zentrale Konstante bleibt den Schwazern erhalten: das geschäftsführerische Geschick und die Netzwerke von Maria-Luise Mayr. Sie steht unter anderem auch für die enge Verzahnung der internationalen Kunst mit der Region. Einer ihrer neuesten Coups ist die Neugründung des „Garten für junges Klanggemüse“, bei dem 1. und 2. Volksschulklassen Gemüse, Blumen, Hochbeet anlegen und sich dabei die Frage stellen: „Wie hört es sich an, wenn sich ein Regenwurm durch die Erde frisst?“
Ebenfalls neu ist eine Hörschule der besonderen Art. Erstmals kooperiert das Festival mit dem Tiroler Blinden- und Sehbehindertenverband. Das Publikum unter der Dunkelbrille wird von einem blinden Menschen durch die Schwazer Innenstadt geführt.
Neben dem „Klangspuren-Blindhören“ sind bewährte Formate wie „Klangspuren-Mobil“, „Klangspuren-Barfuss“ oder die „Gernsingenden Falschsänger“ am Start. Ein Novum ist dagegen das Abschlusskonzert „Rent a musician“, das nicht im Konzertsaal, sondern in den Wohnzimmern von Schwaz und Umgebung stattfindet: 16 Minikonzerte zu jeweils 20 Minuten in Kleinstbesetzung mit dem Wiener Phace Ensemble bringen die Neue Musik ins traute Heim und die Tiroler zur Neuen Musik .
Auch die Kategorie Musik von heute im alpinen Raume bietet wieder Außergewöhnliches: Die Pilgerwanderung mit Konzerten von Klaus-Peter Werani (Viola), Hanno Simons (Cello) und Stefanie Schumacher (Akkordeon) geht da weiter, wo sie 2011 wegen schlechten Wetters abgebrochen werden musste.
Vom tiefen Passeiertal über das Timmelsjoch bis nach Obergurgl hinab reicht ein ambitioniertes Wochenendprojekt (22. und 23. September), das den Klavierzyklus „Etudes australes“ von John Cage zur Aufführung bringt. Die Pianistin Sabine Liebner wird bei ihrer Hochgebirgsperformance besucht und begleitet von Bergsteiger Reinhold Messner, der russischen Sängerin Natascha Pschenitschnikowa und der indonesischen Performerin Malati Suryodarmo.