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Foto: © Jutta Missbach
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Millionen im Irgendwo – Nürnbergs Staatstheater zeigt Lehárs „Lustige Witwe“ nahe am Heute

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„Die Menschheit verblödet zusehends… Es ist festgesetzt worden, dass, wenn die Welt untergeht, noch einmal ‚Dummer, dummer Reitersmann‘ gespielt wird“ stellte Karl Kraus schon 1908 fest. Da sich Kraus’ erster Satz über hundert Jahre später zunehmend bewahrheitet, trat nun Bayerns 4. Staatstheater in Konkurrenz zur Münchner „Witwe“ am Gärtnerplatz.

Vielleicht ist es aber auch der Hang des barocken Bayern zum „Schmäh“, dass nun nur durch eine ICE-Stunde getrennt zwei millionenschwere Witwen konkurrieren. Beide Regisseure sind gebürtige Österreicher, die im bundesdeutschen Theaterparadies als Spezialisten fürs schwere leichte Genre gelten. Während Köpplinger in München das Werk fast als Totentanz am Vorabend des 1.Weltkriegs ansiedelte (vgl. nmz online vom 4.11.2017), scheint bei Thomas Enzinger zu dominieren, dass der ganze holde Schwachsinn auch derzeit so abläuft. Die pontevedrinischen Volkstänze werden in einer Mischung aus Tradition und Punk vorgeführt. Die Herren tragen einheitliche Anzüge von heute; Danilo schon auch mal in schickem Eierschalen-Weiß, die Damen teure Roben wie in Salzburg oder Baden-Baden; Botschafter Zeta und Sekretär Njegus im Mao-Schnitt könnten auch asiatische Diktaturen vertreten.

In der chaotischen Botschaft stehen die Bilder des Fürsten auf dem Kopf und Streifenberge von modernen Aktenvernichtern fallen auf (Bühne und Kostüme: Toto). Doch der „Express-Brief“ mit dem Staatsbankrott ohne die Witwen-Millionen ist geblieben, fern heutiger Kommunikationsmittel. Da beginnen auch die Textschwächen von Enzingers Aktualisierung: Was sind heute schon 20 Millionen? Warum noch „Franc“ für einen versteigerten Tanz? Auch ein paar schlichte Wortwitze vertrügen geistreiche Überarbeitung. Enzingers Zutat, einen vollbärtigen Greis mit Werkmelodien auf dem Saxophon durch die Szene geistern zu lassen, blieb Äußerlichkeit.

Dass in der Premiere einige Übergänge im „Timing“ nicht stimmten, dass alles noch nicht so recht zündete, lag aber auch an Guido Johannes Rumstadts Dirigat: von Nürnbergs Staatsphilharmonie in Großbesetzung zu viel sahnige Soße im oft breiten Klang; Balkan-Paprika und Delikatesse kamen zu kurz. Erst wenn nach dem gediegenen Szenenbeifall ein „Encore“ kam wie „Ja, wir sind es, die Grisetten“, legten alle mal in „atemlosem“ Tempo los.

Da war dann der kleinen, alerten Ina Yoshikawa als Botschafter-Gattin Valencienne das Kompliment zu machen, dass man ihr das „süße durchtriebene Biest“ glaubte, dass sie im „verruchten“ Grisetten-Look wie in Tanz und Gesang bestach. Ihr Mann war nur mit dem baritonal wuchtigen Steven Scheschareg so jung und viril besetzt, dass ein Liebhaber eher nicht nötig schien – so jugendlich frisch Martin Platz als Camille auch wirkte und sang. Inmitten eines guten Nebenrollen-Ensembles hat Nürnberg in Ludwig Mittelhammer einen feschen, jungmännlichen Danilo als Botschafts-Dandy, der gut sang, dem nur für die Doppelbödigkeit des „Reitersmann“-Duetts und erst recht für das ja einmal lebensecht bittere Gleichnis von den „Zwei Königskindern“ noch darstellerische Tiefe fehlten.

Und dann ist der reisende Theaterfreund versucht, etwas Gewagtes zu tun: die Hanna Glawari von Isabel Blechschmidt in die Münchner Inszenierung zu transferieren – da waren nämlich das höchst reizvolle, etwas weiblichere Äußere, die selbstverständliche Eleganz des Auftretens als VIP (sehr hübsch die Regie-Idee, alle Herren zu einer Regenschirm-Ehrengarde aufzureihen) – da war ein runder, auch mal üppiger Sopran (mit ein paar premierenforcierten Höhen) – da war eine Liebende, die „Mann“ wie Danilo auch ohne alle, aber auch mit 40 Millionen nehmen würde… Somit lohnt „das Studium der Weiber“ letztlich in beiden Metropolen.

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