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Mid{summer}night­dreams. Foto: © David Klumpp
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Miniopern über Liebe, Triebe und Schmerz: Shakespeare-Abend der Hochschule für Musik Nürnberg

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Toller Shakespeare-Abend der Hochschule für Musik Nürnberg mit fünf neuen Mini-Kammeropern in der 3. Etage des Schauspielhauses Nürnberg: „Ich will lächeln“ von Gordon Kampe, „Verflucht“ von Sarah Nemtsov, „Tongs and Bones“ von Stephan Winkler, „Sonett 18“ von Geunu Ryu und „Pray, Chuck, Come Hither“ von Sara Glojnarić. In der Regie von Sebastian Häupler wurde „Mid{Summer}Nightdreams“ ein schmerzlich schönes Musiktheater vom Feinsten mit engagierten jungen Stimmen und kompetentem Orchester.

Shakespeare und kein Ende. In ganz großer Schrift und trotzdem viel zu bescheiden steht die Applaus-Aufforderung aus dem „Sommernachtstraum“ auf dem Programmblatt. Wem es nicht gefalle, möge alles nur für einen Traum halten. Die Kooperation des Staatstheaters Nürnberg mit der Hochschule für Musik Nürnberg war weitaus mehr als ein Vorführabend aus Pflichtübung. Fünf Kammeropern lebender Komponierender in Reihe, fünf verschrobene Befindlichkeiten mit Perspektiven-Verschiebungen in der 3. Etage des Schauspielhauses. Der Konzeptbogen ging auf und engte die jungen Sängerdarstellenden trotzdem nicht ein. Die schönste Nebensache der Welt erwies sich in mindestens vier der fünf Kammeropern als nur allzu perfider Daseinsgrund. Die junge Generation nähert sich den meist erotischen Miniaturen mit Ernst und Sinnlichkeit.

Trotzdem: Keineswegs haben erst die Komponierenden des 21. Jahrhunderts Frauenflagge gezeigt, Shakespeare aus Perspektive ihrer Lebenszeit entwickelt oder für die digitalen Salons der nahen Zukunft überlebensfähig gemacht. In den fünf Opern wurde vom Kammerensemble der Hochschule so vital musiziert, so nah und lebensecht gesungen, dass man über die Hybris der behaupteten Neubewertungen gern hinwegsieht. Die Quoten-Geschlechtlichkeit des frühen 21. Jahrhunderts steckt gegenüber den Geschlechtermustern des 17. Jahrhunderts aber noch immer in den selbstverliebten und in erster Linie rhetorisch progressiven Kinderschuhen. Aber genau das machte die fünf Kammeropern von Gordon Kampe, Sarah Nemtsov, Geunu Ryu und Sara Glojnaric in der Aufführung und Ausführung spannend. Kampe ist in der ganz knappen Form freier und besser als in seinen Stundenopern. Sarah Nemtsovs Frauenfantasie über Anne, erzwungene Gemahlin des sprichwörtlichen Scheusals Richard III., hat Biss und sogar Melos. Geunu Ryus Sonett-Kantate zeigt Sensibilität. Indes verdeutlicht Sara Glojnaric in ihrer „Otello“-Paraphrase, dass sie nicht gewillt ist, für Vokalstimmen angenehm zu schreiben, oder kann es als mediale Musikdesignerin offenbar nicht. Stephan Winkler wagt für die „Sommernachtstraum“-Triebwirren satte Ensembles mit Wirkkraft, sein „Tongs and Bones“ wird zur stärksten kreativen Leistung dieser 135 Minuten. Er scheut sich nicht vor dramatisch bewegten Ensembles und generierte aus Shakespeares Elfen-Triebexplosion einen Fantasietext, mit dem er Ekaterina Maslakova (Titania), Bioh Jang (Puck) und Jiwoong Choi (Oberon) zum artistischen Abheben brachte.

Die meisten der Studierenden waren in mehreren Partien zu hören. Auffallend an der Regie von Sebastian Häupler sind die genauen Absprachen und Mikrobewegungen, dabei ein großzügiger Umgang mit Licht (Christina van Look) und szenischen Materialien. Madeleine Mebs machte eine Gruppe aus weißen Hockern zu variablen Hauptelementen. Ihre Kostüme schweben zwischen Alltag und erotischer Selbstverwirklichung, welche bekanntermaßen nicht immer gut ausgeht. Das Staatstheater Nürnberg hat vorgebaut und „Mid{Summer}Nightdreams“ auf die Liste der Stücke mit sensiblen Inhalten gesetzt. Schlau.

Denn die gegengeschlechtliche Besetzung von Otello/Jago (Bioh Jang, der heimliche Star des Abends) und Desdemona (Rosario Febre) lässt viele Rückschlüsse zu, ist aber mit Priorität ein SM-Ritual an ständig wechselnden Schnittstellen von Gewähren und Nehmen, Lust und Folter. Als Anne in Nemtsovs „Verflucht“ stürzte sich Ekaterina Maslakova in den Bravourpart eines Minidramas. Sie zeigte da nicht nur extrovertierte Not, sondern auch inneres Verglühen mit kantablem Format. Auf einem erhöhten Podest sitzt das Kammerensemble – dirigiert von Elizaveta Prokofieva, Kyungbae Ju, Yudania Gómez Heredia und Otto Itgenshorst. Ohne zu große Kolorit-Unterschiede zwischen den Partituren agieren die Musiker erstaunlich sicher und bestens orientiert. Das größte (Tragi-)Komödienpotenzial hat Kampes „Ich will lächeln“, sofern das Ensemble mitmacht wie hier. Der Countertenor Kluk Kim und der helle Bariton Lukas Arnberger Baumeister sind der von ihnen verspiegelte, verdoppelte Malvolio aus „Was ihr wollt“  vor der lasziven Maria (Theresa Geyer) . Sie übertreiben nicht, aber aus der Startloch-Lauer sind sie im Sprung zu größeren Aufgaben, setzen pantomimische Pointen wie Musical-Darsteller und genießen mit dem ganzen Ensemble die greifbare Nähe zum Publikum. Im „Sonett 118“ war Lana Maria Zeitel die engagierte Solistin. Riesenapplaus – berechtigt.     

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