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Mit Schimpf, ohne Schande

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Das Projekt „AndersArtig“ beteiligte Schüler an der Münchener Biennale
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Seit 15 Jahren reift das Projekt „Musik zum Anfassen“. Gerade wenn an die 100 Schüler im Alter von 11 bis 15 Jahren ein Musiktheaterstück erarbeiten und aufführen sollen, zahlt sich diese Erfahrung aus. Klassen fünf bis sieben der Mittelschule Walliser Straße sowie des Heinrich-Heine-Gymnasiums in München waren die Protagonisten des Projekts „AndersArtig“ im Rahmen der 13. Münchener Biennale mit der abschließenden Aufführung in der Spielhalle der Münchner Kammerspiele. Doch dem Konzept entsprechend ist der Weg das Ziel. Die Aufführung daher vor allem Disziplinierungsmoment und bleibendes Erlebnis – und Einblick für Eltern und Familien.

Für die Schüler ist „Musik zum Anfassen“ oft ein neuartiges Abenteuer, das explizit keine Förderung von besonders Begabten sein will. Entscheidend ist dabei die alle einbeziehende Kommunikationsebene. Musikalische Vorbildung ist hier nicht notwendig und Kenntnisse an einem Instrument oder in Gesang spielen vordergründig keine Rolle. Hervorhebung Einzelner bedeutet schließlich Herabsetzung und Entmutigung der Übrigen. Genau dies solle vermieden werden, betont Flötist Christian Mattick, der zusammen mit dem Klarinettisten Heinz Friedl „Musik zum Anfassen“ gegründet hatte. Von Anfang an ging es darum, verschiedene musikalische Aspekte gemeinsam mit den Schülern zu erforschen und aufführungsreife Musiken zu kreieren. Ein professionelles, didaktik- und bühnenerfahrenes Team steht den Schülern dabei anleitend und unterstützend zur Seite.

„Musik zum Anfassen“ ist sonst auf Musik fokussiert. Ein bewusstes Hören, Erforschen von Wirkungen und ihrem gezielten Einsatz, Entdecken von Geräuschmachern und Bau daraus resultierender Instrumente im weitesten Sinne, zielführendes Erfinden von Musik und gemeinsames Einstudieren sowie Vortragen auf der Bühne waren daher hier zentrale Gegenstände von Workshops im Vorfeld. Experimente mit Bluescreen-Technik – „wie man Dinge vortäuschen kann, die nicht wahr sind“, so Mattick – schufen Einblicke in die Illusionswelt des Theaters. Darüber hinaus mussten bei „AndersArtig“ aber auch Kostüme aus Verpackungsmaterial (Workshop Robert Kis) und ein Bühnenbild entworfen und umgesetzt werden.

Und natürlich eine Geschichte: Dramaturginnen Julia Schölzel und Martina Stütz entwickelten mit einigen Schülern den weltweit ersten „Cosmock“, die Expedition ins Ungewisse. An langen Tafeln lagernd gingen demnach die Bewohner eines fernen Planeten ihrer existenzsichernden Beschäftigung nach: Sich gegenseitig beschimpfen, dabei die beglückenden Unfreundlichkeiten in ein alles umsäumendes Röhrensystem rufend. Das Raumschiff Phönix 3 brachte dann Wesen, die ihnen mit Freundlichkeit und schönen Worten eine verführerische Welt eröffneten. Doch das Ausbleiben der Schimpfwörter entkräftete die Dämonen, die die Welt im Innersten zusammenhielten. Nun erinnerten sich die Bewohner an den Mythos und retteten den Planeten mit Schimpfworttiraden vor dem Untergang. Was aus den freundlichen Wesen wurde, blieb offen. Ein klarer Plot, den Regisseur Berkan Karpat mit reizvollen Details in Szene setzte. Das Deutsche Museum (für Naturwissenschaft und Technik) hinterließ als thematische Inspirationsquelle des Projekts seine Prägung.

Neben den instrumentalen Einlagen des Leitungsteams, sowie einem kurzen, dennoch wirkungsvollen Part der Sopranistin Leonore Laabs, blieb der musikalische Einsatz der Kinder und Jugendlichen auf rap-artig skandierte Worte und perkussive Motive von Schlagwerkgruppen beschränkt. Die gesanglichen Qualitäten einer einzigen Schülerin mit erstaunlicher Soulstimme (Migrationshintergrund sei Dank) verwiesen auf durchaus mögliche Potenziale hin, die eine intensivere Beschäftigung mit Musik an den Schulen freisetzen könnte. Der erstmalige Versuch, ein komplettes Musiktheater von und mit Schülern in Zusammenarbeit mit der Münchener Biennale zu realisieren, ist daher ein wichtiges Ereignis und hoffentlich eine Ermunterung zur Nachahmung. „Bei den Proben muss man ganz schön mit der Konzentration kämpfen“, stellte Christian Mattick zwar fest. Doch die reibungslose Aufführung entschädigte die Mühen.

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