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Christoph Heinrich, Claudio Gottschalk-Schmitt, Stefanie Dietrich. Foto: Jörg Landsberg

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Mit sicherem Instinkt gelungen – „Der 35. Mai“ von Erich Kästner als Musical im Theater Bremen uraufgeführt

Vorspann / Teaser

Ein großartiges Gesangsensemble, exzellente Tänzer, eine ausgezeichnete Orchesterleistung und eine im besten Sinne multidimensionale Inszenierung voller ästhetischer, aber auch nachdenkliche Momente haben das Publikum im fast ausverkauften Theater Bremen anlässlich der Uraufführung des Musicals „Der 35. Mai“ nach Erich Kästners Roman „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ in Begeisterung versetzt. 

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Es ist ein Auftragswerk des Bremer Theaters. Martin G. Berger hat zusammen mit Jasper Sonne und Michael Ellis Ingram eine amüsante, knapp dreistündige Melange aus Bilderreigen, Gesang, Tanz und spritzig galoppierender Musik im Stile der 20 Jahre des letzten Jahrhunderts vorgelegt. Eine Musik, bei der aber auch die kleinsten unter den Zuschauern bei der Sache bleiben und mitgehen, das muss man erst mal hinbekommen. Das ist dem Team um Regisseur Martin G. Berger mit sicherem Instinkt gelungen. Chapeau!

Das Libretto überzeugt ohne Abstriche, da es Kästners enormen Sprachwitz und seine souveräne Ablehnung, das Gegenüber zu einer bestimmten Meinung zu überreden, nicht unterschlägt. Alle sogenannten Kinderbücher von Erich Kästner haben einen gesellschaftskritischen Hintergrund, den man nicht besonders betonen sollte. Das verkannte Werk „Der 35.  Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ hat Kästner wahrscheinlich schon 1927/28 begonnen, also vor den bekannten „Emil und die Detektive“ oder „Pünktchen und Anton“. Erschienen im Druck ist es jedoch erst 1932 und ist wahrscheinlich unter den „Kinderbüchern“ sein anspruchsvollstes Werk. Darauf wollen wir aber jetzt ganz im Sinne von Kästner, der in diesem Jahr 125 Jahre alt geworden wäre, nicht näher eingehen. 

Aber am 35. Mai ist es aber so!

Also, um was geht es? Konrad, ist zwar gut in Mathe, hat aber keinen blassen Schimmer von der Südsee, über die er einen Aufsatz schreiben soll. Der 35. Mai ist ein fantastischer Tag, außerhalb von Zeit und Raum. Da geht alles und so kann Konrad an diesem Tag mit seinem netten Onkel, dem Apotheker Ringelhuth, und dem pfiffigen, aber arbeitslosen Droschkenpferd Caballo als Reiseführer über die fehlende Rückwand eines alten Kleiderschrankes die Reise in ferne Länder starten. Der Weg ist weit und reich an aufregenden Abenteuern. Die Stationen sind, so viel sei verraten, das „Schlaraffenland“, die „Verkehrte Welt“ und die „Stadt der Zukunft“ und viele andere. Am Ende gibt es natürlich ein Happy End. Aber dabei sollte man Kästners Warnung stets im Kopf behalten: „Nun könnt ihr womöglich daraus schließen, dass es auch im Leben immer so gerecht zuginge und ausginge wie hier. Das allerdings wäre ein verhängnisvoller Irrtum. Es sollte so sein und alle verständigen Menschen geben sich Mühe, dass es so wird. Aber es ist nicht so. Es ist noch nicht so.“ Aber am 35. Mai ist es aber so!

Mit Sarah-Katharina Karl (Bühne), Marius Lorenzen (Licht) und Stefan Kück (Video) hatte der Regisseur vorzügliche Mitarbeiter. Die Bühnenbildnerin baut eine halbrunde rasch wandelbare Varieté-Bühne. Projektionen und Lichtzauber suggerierten eine märchenhafte Welt, der Esther Bialas mit pittoresken Kostümen aparte Reize einpflanzte. Von den zahlreichen Akteuren seien drei genannt. Christoph Heinrich erweist sich als überaus aparter Onkel Ringelhuth, dabei stets gut bei Stimme und von steter Präsenz in allen Aktionen. Stefanie Dietrich gibt ein agiles Droschkenpferd Caballo, das so ziemlich alles kann (tanzen, steppen usw.) und auch gut singen. Und zu guter Letzt verkörpert Claudio Gottschalk-Schmitt einen authentisch geknickten linkischen Musterschüler Konrad. 

Hinter der Bühne musizierten die Bremer Philharmoniker unter Stefan Klingele überzeugend.

Mit dem Musical „Der 35. Mai“ ist dem Bremer Theater ein großer Wurf gelungen. Es wird sicherlich von Bremen aus auf viele Bühnen wandern, zumal an guten, zeitgemäßen Kindermusicals allenthalben großer Mangel herrscht. Schön wäre es aber, wenn man bis dahin Onkel Ringelhuth und dem Pferd das unzeitgemäße Rauchen abgewöhnen würde.

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