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Mitten im Klang – mitten im Musikleben

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Musikvermittlungsinitiativen im Orchester: zu einem Symposion in Wien
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Es klingt so einfach wie ein Kochrezept: Man nehme ein Orchester, das 25 Minuten lang Musik spielt, lasse das junge Publikum am Boden sitzen, verteile Luftballons und Seifenblasen im Saal, erzähle dazu eine gute Geschichte, studiere mit den Kindern ein Lied ein, verwende Power Point – und fertig ist das gelungene Konzerterlebnis für Vorschulkinder. Der Mann „am Herd“ heißt nicht Jamie Oliver, kommt aber auch aus England und ist wie sein genialer Kochkünstler-Kollege ein Trendsetter: Paul Rissmann zählt derzeit wohl zu den erfahrensten und begehrtesten Konzertpädagogen in Großbritannien.

Die Jeunesse Österreich lud ihn, Fraser Trainer von der London Sinfonietta, Albert Landertinger und Johanna Möslinger vom Brucknerorchester Linz ein, um bei Musikerkollegen und Managern aus österreichischen Berufs- und Kammerorchestern die Lust an neuen Wegen der Kommunikation mit dem Publikum zu wecken. „Musikvermittlung ist mir ein Herzensanliegen“, meinte der scheidende Generalsekretär Matthias Naske anlässlich des Symposions „Mitten im Klang“, das am 13. September 2003 im Wiener Konzerthaus stattfand. Und in seinem Programm verwirklichte er es auch: Drei Konzertreihen für Kinder, eine Gesprächskonzertserie für Jugendliche und zahlreiche Künstlergesprä-che und Einführungsvorträge vor und nach den regulären Abonnementkonzerten sprechen für sich.

Doch trotz einiger von der Jeunesse organisierter „Family Workshops“ britischer Orchester rund um Konzerte in Wien will der angloamerikanische Funke „education“ nur zaghaft auf Österreichs Klangkörper überspringen. Der britische Botschafter in Wien John MacGregor vermutet in seinem Eröffnungsstatement dafür sogar religiöse Gründe: „Bring down the mighties from their seats“ sei ein Wahlspruch britischer Protestanten, meint er mit einem Augenzwinkern gegenüber seinem katholischen Gastland.

Im Ernst: Was lässt britische Orchester seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts zahlreiche Formen der Vermittlung kreieren, die musikalische Bildung an Schulen genauso in den Blick nimmt wie die Kulturarbeit mit sozialen Randgruppen?

Fraser Trainer, Komponist und Creative Director des Education Departments der London Sinfonietta, sieht diese Entwicklung als konsequente Folge einiger negativer Schulkonzert-Erlebnisse seiner Musikerkollegen: 1.000 gelangweilte und unvorbereitete Kinder saßen zumeist Substituten des Orchesters gegenüber, die den gefürchteten Dienst lediglich überstehen wollten. Trainers Kollegin Gillian Moore gründete daraufhin 1983 Englands erstes Education Department in einem Orchester. Nicht zufällig widmet sich die London Sinfonietta zeitgenössischer Musik und steht damit in engem und regelmäßigem Austausch mit Komponisten, ihrer Kompositions- und Kommunikationsweise. Steve Reich arbeitete für die London Sinfonietta mit sechs Schulen in Nord-England zu „Clapping Music“ und Toru Takemitsu, Pierre Boulez oder Harrison Birtwhistle komponierten simultan mit Schülern am Computer. Derzeit finden Schüler und Lehrer ein Musikspiel von Louis Andriessen zu seiner Komposition „Velocity“ im Internet, ein Workshop-Paket für den Unterricht folgt in Kürze. Aufführungsprojekte stehen in der Tradition von Henry Purcell oder Benjamin Britten. Heute komponieren Peter Maxwell Davies oder Marc-Anthony Turnage Stücke für Profimusiker und Schüler gemeinsam. Erstes Anliegen der Komponisten und Konzertpädagogen der London Sinfonietta ist es, tiefe und authentische Verbindungen zur gegenwärtigen Musik zu knüpfen – dabei engagieren sich die virtuosen Musiker des Ensembles bei der Arbeit mit Schülern ebenso wie bei der Gestaltung neuer Kompositionen.

Paul Rissmann, der Jamie Oliver unter den „music animateurs“, hält nicht viel von langen Erklärungen – gemäß seiner einfachen Anleitungen zu Beginn des Artikels fordert er das Symposions-Publikum zum handlungs-orientierten Workshop auf. Mit ausgewähltem Orff-Instrumentarium und kurzen Informationen versehen machen sich vier Teilnehmergruppen daran, rhythmische Elemente, kurze Volkslieder, Marktplatzgeschrei und eine vorgegebene Melodie in ein gemeinsames Stück zu integrieren – und siehe da: Es erinnert im Aufbau an einen Ausschnitt aus „Petruschka“ von Igor Strawinsky.

„Das machen die Rhythmiker bei uns schon seit 15 Jahren“, raunt eine gar nicht überzeugte Teilnehmerin – ein entscheidender Punkt: Was in der englischen Musikszene seit über 20 Jahren pragmatisch vernetzt ist, findet in Österreich kein Verbindungsglied. Musikpädagogen arbeiten in der Schule oder in außerschulischen Bildungseinrichtungen, Musiker im Orchester, jeder hat seinen umgrenzten Tätigkeitsbereich und keiner ist recht zufrieden. In Wien scheint es überdies an Publikum nicht zu mangeln. Die Konzerthäuser sind voll, die Wiener Staatsoper kann sogar von einer 96-prozentigen Auslastung berichten und auch Veranstalter im Off-Bereich finden ihre kleine aber feine Zuhörerschaft.

Was bewegte also den Posaunisten Albert Landertinger und Johanna Möslinger dennoch die Orchesterwerkstatt „move.on“ des Brucknerorchesters Linz zu gründen? Landertinger lässt dazu eine Musikerin des Orchesters zu Wort kommen: „Es ist unsere eigene Verantwortung, unsere Musik selbst zu vermitteln – diese Verantwortung kann uns niemand abnehmen.“ Auch ohne Sorge um die junge Zuhörerschaft und ohne Druck seitens der Subventionsgeber – in Großbritannien ist die öffentliche Förderung an die Durchführung kunstvermittelnder Projekte gekoppelt – möchten Musiker in einer neuen und direkten Art mit ihrem Publikum in Kontakt treten und ihnen ihre Kunst verständlich machen. Seit einem Jahr besuchen nun jeweils zwei Mitglieder des Brucknerorchesters Schulklassen in ganz Oberösterreich, um sie in gestaltenden Workshops für die Musik eines Symphonieorchesters zu begeistern. Außerdem können die Schüler einzelne Sätze einer Symphonie oder eines Konzerts in der Generalprobe erleben und vorher den Dirigenten oder den Solisten treffen: Dabei kann es passieren, dass die Kinder die Begleitung aus Haydns Cellokonzert singen, während Heinrich Schiff dazu den Solo-Part spielt.

Die Zuhörerschaft – Musikerkollegen, Orchestermanager und Vertreter aus der Schul- und Kulturverwaltung – verließen das Symposion angeregt und motiviert, über eigene Varianten nachzudenken. Ob die Szene der Musikvermittlung in Österreich wächst und vor allem inhaltliches Format gewinnt, hängt vermutlich auch davon ab, ob es bald ein vernetztes Angebot zur Weiterbildung für Musiker und Musikpädagogen geben wird.

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