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Motivation für die zukünftige Arbeit

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Das Netzwerk-Projekt Musik 21 Niedersachsen feierte in Hannover ein „vielstimmiges“ Festival
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„Vielstimmigkeit“ hieß das Motto des Festivals Musik 21 Niedersachsen in Hannover. Das war im übertragenen Sinn gemeint und beschrieb trefflich das ausgesprochen breite Spektrum der Neuen Musik, das an den drei Tagen in insgesamt 17 Veranstaltungen zu hören war; es war aber ebenso wörtlich zu verstehen, nahm die Vokalmusik sowohl für Solisten als auch für Chöre einen breiten Raum ein.

Vielstimmig in jeder Hinsicht geriet die Eröffnung. Das Sprengel Museum ist ein Ort, an dem die neuere und zeitgenössische Bildende Kunst zur Diskussion steht. Es ist aber auch ein schon mehrfach erprobter Ort für Neue Musik. 

Mit Raumklang erfüllte der souveräne Mädchenchor Hannover Zoltán Kodálys „Mountain Nights“ von 1961, a-capella-Gesänge ohne Worte. Zum ersten Mal in Deutschland erklang Richard Rijnvos „Die Kammersängerin“ von 2009/2010. 21 vertonte Gedichte von Ernst Jandl, gegliedert in drei Gruppen zu jeweils sieben, geben dem Stück klare äußere Form. Die Dreiteiligkeit steht für den Morgen, den Nachmittag und den Abend eines Tages im Leben einer Kammersängerin. Rijnvos schreibt dazu eine äußerst plastische und farbige Musik, Marije van Stralen gab mit wandlungsfähigem Sopran die Protagonistin in dieser szenisch angedeuteten Aufführung. Rijnvos erweist sich durchaus als Komponist mit Theaterinstinkt und würde im Musiktheater daher sicher in Zukunft lohnende Aufgaben finden. 

Wer danach noch Lust hatte, konnte sich weiter auf den Weg machen. Das Kaufhaus Fairkauf bietet mit hauptsächlich gebrauchten Möbeln im Angebot einen durchaus speziellen Charme. „Night Prayers“ war nicht nur Überschrift für den Abschluss des ersten Festivaltages, es ist zugleich der Titel eines Streichquartetts des georgischen Komponisten Giya Kancheli.

Dieses von bemerkenswerter sphärischer Dichte geprägte Werk endet mit der beklemmenden Zuspielung eines Gesanges georgischer Priester via Lautsprecher. Das Nomos-Quartett erwies sich als kongenialer Interpret. 

„City Polyphony“ war das Schlagwort für den zweiten Festivaltag. Das Publikum musste dafür nicht ins Konzert gehen, die Konzerte kamen gleichsam zu den Menschen. Ob auf öffentlichem Platz, in Boutiquen, Cafés, in der Kirche oder in der Buchhandlung – alle Orte waren ebenso ungewöhnlich wie originell, und tatsächlich schien das Konzept dahinter ein Stück weit aufzugehen. 

Neben denjenigen, die gezielt kamen und Neue Musik hören wollten, gab es eine sicherlich oft auch erstmalige Konfrontation mit einem Publikum, dessen Musikgeschmack sich in anderen Gefilden bewegt. Überwiegend war jedoch Aufgeschlossenheit und Interesse zu bemerken. Ob das dazu führt, neues Publikum für reguläre Konzerte zu gewinnen, bleibt dahingestellt. Für einen ersten Versuch dieser Art fielen die Reaktionen insgesamt positiv aus, was sicher auch an der durchweg überzeugenden Qualität der Aufführungen lag. 

Stellvertretend aus der großen Fülle der Veranstaltungen seien zwei Uraufführungen erwähnt. Bei strahlendem Sonnenschein brachte das oh ton-ensemble in einem Café am Ufer eines Seitenarms der Leine Eckart Beinkes „colpo d’ala IV“ zum ersten Mal zum Klingen und boten den Zuhörern einen gekonnten Eindruck von dem, was elektronische Musik bedeutet. Ganz andere Klänge schlug der versierte Kammerchor Hannover in der gut gefüllten Hof- und Stadtkirche St. Johannis an. Fabios Nieder komponierte Fall „asleep, or hearing, dye“ auf einen Text aus Shakespeares Henry VII für Chor, begleitet von Harfe, Akkordeon, Schlagzeug und Klavier. Klingende Stille oder schwebender Stillstand mögen als Eindrücke gelten, wie Nieder diesen Text umsetzt und warum er in dieser Vertonung vielleicht nur in einer Kirche aufgeführt werden sollte.

Mit insgesamt 1.400 Besuchern können die Festivalorganisatoren stolz auf das Ergebnis sein. In diesem Jahr läuft die Förderung von Musik 21 Niedersachsen durch das bundesweite Netzwerk Neue Musik aus. Die Arbeit wird fortgeführt, Motivation dafür sollte dieses erfolgreiche Wochenende unbedingt sein. 

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