Der Weltraum: unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2013. Dies ist das Abenteuer des Prinzen Tamino, unterwegs mit seinem Sternenjäger im All, um die Wolkenstadt des Sarastro zu suchen. Er, der Oberpriester, ist der Hüter jenes Siebenfachen Sonnenkreises, den der König des Tages auf seinem Sterbebett an ihn übergeben hat. Seitdem herrscht Feindschaft gegenüber der Königin der Nacht.
Im Theater Münster herrscht der Krieg der Sterne. Helle und dunkle Mächte stehen sich unversöhnlich gegenüber. Doch die Macht des Sarastro bröckelt, der Zerfall der Einheit von Hell und Dunkel wird spürbar. Wie gut, dass es Mozarts Zauberflöte gibt! Mit deren Hilfe wird nämlich alles wieder gut.
Star Wars, Raumschiff Enterprise und „Zauberflöte“? Das geht prima zusammen – meint Regisseur Kobie van Rensburg. Und hat damit völlig Recht. Wenn Darth Vader im Star Wars-Film Luke Skywalker gesteht: „Luke, ich bin dein Vater!“, heißt das für die „Zauberflöte“ passender Weise: „Pamina, ich bin deine Mutter!“ Klar, dass das Publikum im Großen Haus des Theaters vor Begeisterung nur so quietschte. Vor allem, weil diese Mutter, eben die Königin der Nacht, im originalen Star Wars-Outfit auftauchte und sich ebenso menschmaschinenmäßig artikulierte. Die rasselnden Atemgeräusche sind immer wieder eine echte Freude und umrahmten „Der Hölle Rache“ ganz ausgezeichnet.
Science-Fiction-Oper
Kobie van Rensburg ist ein echter Coup gelungen. Er macht aus der freimaurerisch angehauchten Geschichte eine rasante Science-Fiction-Oper. Das beginnt damit, dass Prinzessin Leia – pardon: Pamina – im Sternenjäger in Sarastros „Wolkenburg“ notlanden muss. Das Gleiche passiert dem aus einem Samurai-Film entsprungenen Prinzen Tamino – im Reich der nächtlichen Königin, die zu Beginn noch nicht zu Darth Vader mutiert ist.
Und wenn dann noch drei dunkle Weltraumladys ganz scharf sind auf den weißgekleideten Prinzen, wenn ein bunter Vogelfänger alle hochfliegenden Gedanken umgehend erdet, wenn schließlich auch noch der verrückte Darth Maul (Monostatos) durch die Szenerie geistert, geht es ab. Da wirken Sarastro und seine Gutmenschen schon eher langweilig. Gut, dass diese auch schon mal über ihren Chef mäkeln.
Dabei gibt es hübsche Effekte: eben noch rollt und flötet R2D2 über die Bühne, dann taucht er als kleines Gespenst im Video auf. Und wenn die knuddeligen Ewoks sich wie hypnotisiert zur Zauberflötenmusik drehen, dann dringt zufriedenes Glucksen aus dem Zuschauerraum. Und natürlich twittern die „drei Damen“ gern mal und posten die schönsten Tamino-Fotos bei „spacebook“!
Ein wenig zeigt van Rensburgs Inszenierung aber auch, dass der Weg zum Happy End in der „Zauberflöte“ ein langer ist. Im zweiten Teil wollen die Pointen nicht mehr so richtig und unentwegt fließen wie anfangs. Das Stück wird halt auch in seiner Lesart etwas zäh – und gerade die gesprochenen Teile hätten vielleicht mehr in Richtung des Regiekonzepts bearbeitet oder gekürzt werden sollen. Aber letztendlich zählt, dass van Rensburg sein Konzept bis zum Ende durchzieht, seine pfiffigen Videos unheimlich auflockern und das Publikum einen Riesenspaß dabei hat.
Ensembleleistungen
Das Ensemble gestaltet eine gute, wenn auch nicht überragende „Zauberflöte“. Inna Batyuk hat ihre Chöre sorgfältig auf die Rolle des Sarastro-Gefolges vorbereitet – das Beschwören der Ideale ihrer Gemeinschaft kommt eindringlich zur Geltung. Die Drei Damen (Sara Daldoss Rossi, Lisa Wedekind und Suzanne McLeod) harmonieren stimmlich perfekt. Diese Harmonie verströmen auch die Drei Knaben: Lisa Trentmann, Adriane Canavarro und Tomke Niehaus machen ihre Sache ganz großartig. Eva Bauchmüller und Juan Fernando Gutiérrez als Papagena und Papageno sind stimmlich bestens gerüstet. Das gilt auch für den Monostatos von Philippe Clark Hall.
Olga Polyakova verfügt über ganz schöne Töne. Doch hat ihre Königin der Nacht Probleme mit den vertrackten Koloraturen, die etwas unpräzis und hektisch wirken. Lukas Schmids Sarastro ist sehr erdverbunden. Sein Bass ist nobel, springt gut an. Was ihm fehlt, ist eine wirklich markerschütternde Tiefe. Und das Liebespaar? Youn-Seong Shim singt den Tamino schön, aber ohne wirkliche Gefühlsnuancen. Die gelingen Henrike Jacob als Pamina dagegen perfekt. Da stören dann auch ein paar von ihr nicht ganz so punktgenau getroffene Töne kaum.
Große Freude bereitet das Sinfonieorchester Münster. Generalmusikdirektor Fabrizio Ventura hält es ständig unter Hochspannung. Dabei gelingt ihm ein absolut transparenter, federnder, leichter Mozart-Klang. Einfach galaktisch!
Diese „Zauberflöte“ – da muss man kein Prophet sein – wird dem Theater Münster ganz sicher neue, jüngere Publikumsschichten erschließen. Möge die Macht mit ihm sein!