Hauptbild
Sarastro – als Hoher Priester und würdiger Vorsteher der Bruderschaft. © Keith Pattison

Sarastro – als Hoher Priester und würdiger Vorsteher der Bruderschaft. © Keith Pattison

Hauptrubrik
Banner Full-Size

Mozarts Zauberflöte trifft Südafrika: Impempe Yomlingo in Hannover

Vorspann / Teaser

Ein hochemotionales Treffen zweier unterschiedlicher Kulturen: südafrikanische Musiker und Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberflöte“. Die Premiere von „Impempo Yomlingo“ in Hannover zeigte wie unterschiedlich diese beiden sind, wie sie – in aller Verschiedenheit – aber so etwas wie eine gemeinsame „Ur-Kultur“ der Welt im tiefen Inneren auch verbindet und dadurch stärkt.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Mal ehrlich – was erwartet ein Besucher einer Opernaufführung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberflöte“ eigentlich von dieser speziellen Aufführung/Inszenierung? Nun, ganz sicher zunächst einmal „Mozart“ – Wiener Klassik (as usual), ein klassisches Instrumentenensemble, bestimmte thematische Verarbeitungstechniken, Natürlichkeit und Klarheit, eine hochklassige Aufführung (das kann man bei diesen Eintrittspreisen wohl verlangen), eine „schöne“ Inszenierung und wahrscheinlich auch eine Begegnung mit seit alters her Bekanntem. Auch geht es nicht zuletzt um die Erfüllung eines gesellschaftlichen Spiels – Begegnung, Designerklamotten, Champagner und Krabbencocktail.

Die Begegnung „South Africa meets Mozart“ bei der Premiere von „Die Zauberflöte – Impempe Yomlingo“ in Hannover hätte im schlimmsten Fall zwei Welten aufeinanderprallen lassen können, die nicht viel miteinander zu tun haben. Mark Dornford-May. Mitbegründer des Isango Ensembles, künstlerischer Leiter und Regisseur von Impempe Yomlingo, hat sich für einen eher platonischen Weg der Begegnung entscheiden. Er hat zwei Ideen messerscharf seziert, vom sie umgebenden „unnötigen“ Umfeld getrennt, und sie sich dann begegnen lassen: die Idee von Mozart und seiner Zauberflöte auf der einen Seite und die Idee südafrikanischer Musik und Menschen auf der anderen Seite. Für den „klassischen Opernbesucher“ führt dieses zu einer Primär-Enttäuschung, die sich im besten Fall (im Schlussapplaus war dieses überdeutlich zu vernehmen) zu Verständnis und Liebe wandeln kann. Der unvoreingenommene Zuhörer und Zuschauer konnte „gelebte Musik“ erleben, die vielleicht höchste Form der Interpretation.

Die Bühne – eine schräg zum Publikum abfallende Holzfläche, mehr nicht. Rechts und links davon Marimbas, die musikalischen Hauptinstrumente der Aufführung. [NB: Marimbas ähneln im Aussehen Xylophonen. Unter Ihren Holzstäben, die mit Schlägeln angeschlagen werden, befinden sich ebenfalls Resonatorenröhren, ursprünglich aus ausgehöhlten Kürbissen. Hier sind die Resonatoren aus Holz und die Stimmung – ähnlich dem Klavier – chromatisch voll ausgebaut. Marimbas gibt es als Sopran-, Alt-, Tenor und Bassinstrumente.] Zu ihnen treten relativ laute Trommeln (zumeist aus alten Ölfässern hergestellt und mit rohem Leder bespannt), Glasflaschen (mit Wasser gefüllt und dadurch gestimmt), leere Plastikgetränkeflaschen und Mülltonnen. Hände und Füße (die Darsteller sind alle barfüßig unterwegs) sind die ältesten Schlaginstrumente überhaupt und verleihen insbesondere den Tanzszenen mit ihrem Klatschen und Stampfen einen sehr eigenen Charakter.

Mozart, wunderschön und emotional

Nur sehr wenige Requisiten finden den Weg auf die Bühne, so dass man von einer (im mitteleuropäischen Sinne) fast konzertanten Opernaufführung sprechen kann. Auch die Idee des Shakespeareschen Theaters, in der alle Mitwirkenden für alle Aufgaben gemeinsam verantwortlich sind, ist präsent. Sänger spielen Marimba, Tänzer singen und der musikalische Leiter, Mandisi Dyantyis, räumt mit auf. Am Ende dann auch folgerichtig keine einzelnen Vorhänge für einzelne Mitwirkende, sondern das Gesamtensemble nimmt den Schlußapplaus gemeinsam entgegen.

Es ist und bleibt Mozart, wunderschön und emotional – das ist in der Musik unüberhörbar. Aber es ist auch Mozart auf einer Marimba – das ist gewöhnungsbedürftig, aber findet in seinem warmen und vollen, fast ein wenig glockenartigen Klang schnell den Weg ins Herz des Zuhörers. Wenn dann unvermutet und unvermittelt mitten im mozartschen Klang ein Chaos von Rhythmen und Menschen auf die Bühne stürmt, ist auch das nicht alltäglich und mitteleuropäisch. Aber es ist schieres und pulsierendes Leben, das wir hier im Laufe der Evolution einfach nur verlernt haben. Walt Disney-Figuren singen zuerst ein Lied und stürzen sich dann [sic!] auf das Problem – eigentlich logisch, aber nicht cool und leider wohl auch nicht gesellschaftsfähig. Diese im besten Sinne „urtümliche“ Mentalität wird uns Abendländern hier vor Augen geführt – erfahrungsgemäß werden wir sie nicht erlernen und übernehmen.

Vieles haben die beiden Kulturen gemeinsam: eine Vorliebe zur Zahl „3“ – bei Mozart sind die Prüfungen, die Papageno und Tamino bestehen müssen, Mündigkeit, Verschwiegenheit und Standhaftigkeit (man ahnt im Hintergrund die deutsche Seele), bei Impempe Yomlingo, viel naturverbundener und bodenständigerer, Liebe, Feuer und Wasser. Beide haben eine Affinität zu geheimen Männerbünden – die einen zu etwas freimaurerisch Geprägtem, die anderen zu einer Bruderschaft mit Priester. Der Kampf um eine Frau, Gut und Böse – alles Geheimnisse und Herausforderungen aus der Ur-Seele der Welt. South Africa meets Mozart!

Bild
Papagena mit den „himmlischen Wesen“. © Angela Kase

Papagena mit den „himmlischen Wesen“. © Angela Kase

Text

Geheimnisse und Herausforderungen aus der Ur-Seele der Welt

Und zuletzt die „gelebte Musik“ – Musik, die nicht mit dem Metronom geprobt und gespielt wird, sondern Musik, die im Menschen zutiefst angelegt ist. Musik, die aus dem Menschen einfach nur herausströmt. Ja, man muss zugeben, sie ist nicht immer perfekt (die hohen Töne der Königin der Nacht, waren „eher“ falsch) – aber es stört nicht, denn Musik wird uns hier als Gesamtphänomen dargeboten, als eine Erscheinung von Direktheit und Ehrlichkeit. Eine Musik, die nicht den Umweg über Metronom und Instrument benötigt, sondern von Herz zu Herz hinüberschwappt. Das ist nicht mitteleuropäisch – keinesfalls! Aber es ist einfach nur schön und wohltuend! Auf dieser Ebene des Begegnens und Aufeinander-Zugehens wird Mozart von allüberall gespielter (und gelegentlich gedudelter) Wiener Klassik zu wirklicher Weltmusik!

Weitere Aufführungstermine:

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!