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Patricia Kopatchinskaja. Foto: Marco Borggreve
Patricia Kopatchinskaja. Foto: Marco Borggreve
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Musik vor dem Nachhall: Klangspuren Schwaz eröffnen mit Patricia Kopatchinskaja

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Traditionell eröffnet das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck das Festival zeitgenössischer Musik Klangspuren in Schwaz. Geschah dies früher vorwiegend in der nüchternen Aura der Tennishalle, so bot die Kirche des Franziskanerklosters Schwaz nicht nur üppiges Barock für die Augen, sondern auch eine pompöse Akustik mit einem Nachhall von mehreren Sekunden. Ein Umstand der nicht jedem der vier vorgestellten sinfonischen Werke zum Vorteil gereichte.

 

Der spanische Komponist Mauricio Sotelo beschäftigt sich in seinem Werk vorrangig mit der Tradition des Flamenco – für seinen Schwazer Kompositionsauftrag „Cuerpos rubados geteiltes Orchester, Solo Violine und Deklamator“ war er durch Stierkämpfe, aber auch durch einen sehr konkreten Traum inspiriert worden: Ihm träumte wie Patricia Kopatchinskaja die ersten Takte seines Violinkonzertes spielte. Nach dem Erwachen schrieb er diesen Beginn sofort nieder; der Rest war nur noch die Ausarbeitung dieses traumhaften Geigenkonzerts, das zwischen rauen Klängen, wilden Läufen  und zarten, verinnerlichten Passagen changiert. Ein Stück jedenfalls, das dem Ausdruckswillen der moldawischen Geigerin in jeder Sekunde gerecht wurde. Kopatchinskaja brillierte nicht nur als gewohnt souveräne Geigerin, sonder auch im vokalen Dialog mit ihrem Instrument, dem Orchester und einem Deklamator. 

Mit Themen aus Stierkampf und Flamenco trug Sotelos Stück bereits die Keimzelle des gesamten Festivals in sich, das dieses Jahr von einem Spanienschwerpunkt geprägt wird. Im Rahmen dieser iberischen Eröffnung folgte die österreichische Erstaufführung „Plain-Chant“ des spanischen Komponisten und Geigers Bali Soler. Als George Benjamin-Schüler verfügt auch er über ein  umfassendes Repertoire an subtilen und raffinierten Klangwelten. In Solers durch mittelalterlichen Gesang beeinflussten Werk verweben sich die melodischen Linien zu quasi tonalen Blöcken – diese Reminiszenz an frühe Mehrstimmigkeit  profitierte aber  nicht wie vielleicht erhofft durch die sakrale Überakustik. 

Das Tiroler Symphonieorchester gilt nicht als Spezialensemble für Neue Musik, war aber am Eröffnungsabend unter Franck Ollu den Anforderungen in jeder Beziehung gewachsen und schien sich im musikalischen Neuland sichtlich zuhause zu fühlen. Dies zeigte sich vor allem beim letzten Stück des Abends, den „Dance Figures“ für Orchester von George Benjamin. Ein Feuerwerk aus unterschiedlichsten orchestralen Kombinationen und Wirkungen macht aus dem Stück aus dem Jahr 2004 eine Apotheose moderner sinfonischer Musik. 

Der österreichische Komponist Thomas Amman dagegen hatte es sich zuvor zur Aufgabe gemacht, das Orchester verschwinden zu lassen und dabei auch die Gegenwehr des Klangkörpers gegen diese kompositorische Auslöschung akribisch, ja beinahe genussvoll auszustellen. Eine Abschiedssinfonie, die Franck Ollu als willkommene Gelegenheit nahm, die Qualitäten des Tiroler Klangkörpers auszuspielen. Ollu als Dirigent und Benjamin als Composer in residence werden in der 8. Akademie des Ensemble Modern bei den Klangspuren Schwaz eine zentrale Rolle spielen. Im Mittelpunkt des diesjährigen Konzertes mit dem Ensemble Modern steht die konzertante Aufführung der Oper „Into the little Hill“ von Benjamin. 

 

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